„Prostitution staatlich finanzieren?“

■ Runder Tisch: Bedenken gegen geschützten Drogenstrich an der Weser

Die CDU-Sozialpolitikerin Roswitha Erlenwein hat „irgendwie ein unbehagliches Gefühl.“ Ihre SPD-Kollegin Barbara Noack fürchtet „eine erhebliche Ausgrenzung“ der Prostituierten. Die amtierende Sozialsenatorin Sabine Uhl möchte „erhebliche Nachfragen“ an das Modell stellen und der Innensenator ist gar nicht gekommen und hat auch keinen Mitarbeiter geschickt.

Die Rede ist von einem Runden Tisch zum Thema Drogenprostitution, der Ende letzter Woche im Ortsamt Mitte stattfand. Zur Diskussion stand das sogenannte „Utrechter Modell“, das vom AK Drogen ins Gespräch gebracht wurde, um eine Alternative zur unhaltbaren Situation in der Friesenstraße zu eröffnen. Dort bieten rund 80 drogenabhängige Frauen ihren Körper an. Sehr zum Ärger der AnwohnerInnen, die immer lauter klar machen, daß der Strich weg soll. Doch wohin? Der Innensenator denkt über „verkehrsregelnde Maßnahmen“ nach, um die Autos aus der Friesenstraße zu verdrängen. Doch das würde den Drogenstrich nur um die Ecke in eine andere Straße verdrängen — mit den gleichen Problemen und den nächsten erbosten AnwohnerInnen.

In dieser Situation kam dem AK Drogen ein Modell aus dem niederländischen Utrecht zu Gehör. Dort ist der Straßenstrich auf einen festen Platz verlagert worden, und das Geschäft findet jetzt in den Autos der Freier hinter Holzverschlägen statt. Dadurch, so die Erfahrung, ist auch die Gewalt gegen die Frauen erheblich zurückgegangen, da der Geschäftsverkehr quasi unter staatlicher Aufsicht stattfindet. In Bremen, so die Überlegung, könnte der Drogenstrich auf den Parkplatz am Weserstadion, Höhe Stadtstraße, verlegt werden. Geschäftsanbahnung und — durchführung würden an einem Ort stattfinden. Das im Moment in der Friesenstraße stationierte Busprojekt zur Betreuung der Prostituierten könnte mitumziehen und für eine kontinuierliche Betreuung der Frauen sorgen. In seinem Konzept will der AK-Drogen die Betreuung jedoch noch ausbauen.

Das Modell „Parkplatz“ geht zunächst von einer Öffnungszeit in den Abendstunden von fünf Stunden aus. „Die Frauen sagen: 'Besser heute als morgen–“, berichtete der AK Drogen am Runden Tisch. Der Standort würde nichts an der Anonymität des Geschäftes ändern und böte mehr Schutz für die von aggressiven Freiern bedrohten Frauen. Daß die Freier den Platz nicht annehmen würden, glauben die Betreuerinnen nicht: „Das sind Männer mit ganz bestimmten Problemen, die auf die hilflosesten der Frauen zurückgreifen. Die werden den Frauen folgen.“

„Uns scheint das eine Möglichkeit zu sein“, meinte eine Anwohnerin, die nicht noch eine Strichsaison erleben will. „Wir wollen, daß das jetzt aufhört.“ Doch ob es überhaupt so kommt, wie der AK Drogen sich das vorstellt und wann es dann soweit wäre, das alles ist höchst fraglich. Denn die Vertreter von Politik und Behörden sind überwiegend skeptisch. „Ich weiß nicht, ob der Senator für Jugend und Soziales Prostitution finanzieren will“, meinte beispielsweise der Drogenbeauftragte Guus van der Upwich. „Dann kommen die Frauen aus der Helenenstraße und sagen: 'Finanziert uns die Heizung.“

Der Vertreter der Gesundheitsbehörde, Gerd Schöfer, hatte erhebliche Zweifel an der Übertragbarkeit des Utrechter Modells. „Dort ist nur der Straßenstrich verlegt worden. Das ist etwas sehr anderes als der Drogenstrich.“ Auch die Beschränkung der Öffnungszeit auf nur fünf Stunden wurde mit Skepsis aufgenommen. Denn wo würden sich die Frauen prostituieren, die dringend Geld für die nächste Spritze brauchen, wenn der Platz geschlossen ist?

„Ich warne davor zu sagen: 'Das ist die Lösung.'“, meinte denn auch Ortsamtsleiter Hucky Heck. „Das ist ein Naherholungsgebiet. Da muß man sich schon fragen, ob das rechtlich zulässig ist.“ Und: „Was soll denn sein, wenn Werder spielt?“ Man dürfe die Diskussion um das Utrechter Modell nicht auf einen einzigen Standort reduzieren, meinten da die Vertreterinnen des AK Drogen. Aber wohin, wenn nicht ins Weserstadion? „Wenn man das zum Straßenstrich im Hafen verlegen würde, dann gäbe es Mord und Totschlag unter den Frauen“, beschrieb eine Vertreterin von Nitribitt ein weiteres Problem. Und: „Es wird auch nicht möglich sein, das nach Sebaldsbrück zu verlegen.“

Also wird es irgendwie und irgendwo in der Stadtmitte bleiben. Wie sagte eine Anwohnerin der Friesenstraße: „Wir wollen, daß das jetzt aufhört.“

hbk