Protestaktion: Greenpeace kettet Bohrschiffe fest

■ Blockade gegen Erdgaspipeline im Norddeicher Hafen / Weitere Aktionen geplant

In zehn Metern Höhe auf einem der Pilone der schwimmenden Bohrinsel thront ein knallrot gekleideter Greenpeace-Aktivist - auch auf dem Bohrgestänge des Nachbarschiffes hängt jemand, und gleich fünf Leute haben es sich mehr schlecht als recht auf einem weiteren Bohrbagger bequem gemacht: 20 Greenpeace- AktivistInnen besetzten gestern zwölf Stunden lang im Norddeicher Hafen drei Schiffe und eine schwimmende Bohrinsel und protestierten damit gegen Probebohrungen für die Erdgasleitung „Europipe“ im Wattenmeer.

Die von der norwegischen Staatsfirma „Statoil“ gecharterten Bohrschiffe sollten noch gestern eine Ausnahmegenehmigung für die Arbeiten im Watt bekommen. Die „Europipe“ soll vom norwegischen Ekofisk-Fördergebiet an die niedersächsische Küste führen — mitten durch den geschützten Nationalpark.

Das riesige Transparent „Nationalpark — kein Industriepark“ flattert oben an der Bohrinsel im Wind. Die Greenpeace-Leute haben sich an den Gerätschaften auf den Schiffen festgekettet, warten. Heimlich, still und leise hatten sich um drei Uhr nachts zwei Greenpeace-Taucher in das eiskalte Wasser des Hafenbeckens im Norddeicher Hafen gewagt und die drei Schiffe an den Schiffsschrauben aneinandergekettet. Um viertel vor zehn läßt sich der Revierleiter der Wasserschutzpolizei blicken, erklärt in aller Seelenruhe: „Sie begehen hier Hausfriedensbruch und Nötigung - aber das wissen Sie ja.“

Nur keine Hektik. Spaziergänger begucken sich die in den Wanten hängenden GreenpeaclerInnen, und die machen sich Schokolade futternd warme Gedanken. Keine Wortgefechte, keine Auseinandersetzungen. Um zwanzig nach elf rücken vier Einsatz- LKWs der Polizei an: Taucher müssen die Schlösser der Ketten an den Schiffsschrauben knacken. Die Polizisten und die Greenpeace-Leute in den Schlauchbooten halten derweil einen Plausch. Erst um drei Uhr nachmittags beendet die Polizei die Aktion und holt die Aktivisten ohne Zwischenfälle aus luftigen Höhen — alle haben ihren Job getan. Und die Schiffe laufen aus: Noch während der Aktion kam die Genehmigung der Nationalpark-Verwaltung unter Rücksprache mit dem niedersächsischen Umweltministerium.

„Damit ist noch keine Vorentscheidung gefallen“, sagt Eva- Maria Rexing, Sprecherin des niedersächsischen Umweltministeriums. „Wo eine Gasleitung nötig ist, fällt nicht in unsere Kompetez.“ Immerhin hat das Umweltministerium in dem Bundesland, in dem der Umweltschutz Verfassungsrang erhalten soll, erreicht, daß eine Alternative zu der von der „Statoil“ gewünschten Trasse über die Insel Norderney zuerst geprüft wird: Eine mögliche Trasse westlich des Jadebusen über die Insel Minsener Oog würde das Watt nur auf wenigen Kilometern berühren.

„Zuviel“, sagt Greenpeace und kündigte weitere Aktionen an: „Das war nur der Eröffnungszug.“ Am Hafeneingang in Norddeich steht ein Schild der Bezirksregierung Weser-Ems: „Herzlich Willkommen im Wattenmeer. Sie befinden sich in einer Landschaft, die einzigartig auf der Welt ist — die besondere Eigenart soll erhalten und vor Beeinträchtigungen geschützt werden.“ Susanne Kaiser