Die Partei war nicht die Stasi

■ Ex-SED-Mitglieder bei Bündnis 90 wehren sich gegen »Rechtfertigungszwang«

Berlin. Neuerdings werden die beiden Frauen von manchen Kollegen in der Fraktion von Bündnis 90 und Grünen scherzhaft als »Ex-Genossinnen« tituliert. Judith Demba, grüne Abgeordnete aus Lichtenberg, und Sibyll Klotz, Ko-Fraktionsvorsitzende und Mitglied des Unabhängigen Frauenverbandes (UFV), waren früher Mitglied in der SED. Jetzt treibt sie, glauben Demba und Klotz, ein Beschluß des Landesvorstandes von Bündnis 90 in eine unangebrachte »Rechtfertigungsposition«. Was die Frauen aufbringt: Die Bürgerbewegten setzen Stasi-Mitarbeit und SED-Mitgliedschaft als »besonders intensive Formen der Anpassung« gleich und verlangen von jedem ehemaligen Parteimitglied, sich »seiner besonderen Schuld« zu stellen.

»Eine SED-Mitgliedschaft«, wehrt sich Demba, »ist doch keiner Kritik würdig. Die Kritik muß sich an die Partei als ganze richten.« Es sei ein Unterschied, ob man heimlich seine Freunde ausgehorcht habe oder als SED-Mitglied offen zu erkennen gewesen sei. In jüngster Zeit waren freilich auch Demba und Klotz nicht völlig offenherzig. In ihren Parteien und der Fraktion machten sie aus ihrer Vergangenheit zwar kein Geheimnis, für das Handbuch des Abgeordnetenhauses gaben sie die SED-Episode jedoch nicht an. »Ich weiß nicht, warum ich das nicht getan habe. Wahrscheinlich habe ich mich nicht getraut«, bekennt Demba offenherzig. »Das Klima in diesem Parlament hat mich dazu nicht ermutigt«, sagt Klotz. »Aber heute könnte ich mich dafür in den Arsch beißen.«

Demba war bereits »1980 oder 1981« nach nicht einmal zweijähriger Mitgliedschaft aus der SED ausgetreten, »weil die Partei für Kritik überhaupt nicht offen war«. Deshalb hatte sie zuvor auch eine Politlaufbahn im FDGB ausgeschlagen, gründete später in ihrem Betrieb eine kritische Öko-Gruppe. Klotz verließ nach mehrjähriger Mitgliedschaft im November 1989 die Staatspartei. Eingetreten war sie, weil sie glaubte, »innerhalb dieser Strukturen mehr verändern zu können« als außerhalb. Sie mußte lernen, daß innerhalb der Partei auch die »Disziplinierung« größer war als außerhalb. Nachträglich attestiert sie sich »Naivität und auch Opportunismus«.

Beide kommen aus gut kommunistischen Elternhäusern. Der Vater von Klotz saß im KZ Sachsenhausen, war Zeit seines Lebens Kommunist. Dembas Eltern waren ebenfalls Genossen. Auch die Tochter glaubte immer an die »Idee des Sozialismus«. Die Frage nach der SED-Mitgliedschaft, sagt Demba, »kann man nicht loslösen von gesellschaftlichen Prozessen.« Detaillierte Fragenkataloge für Stasi-Spitzel, wie sie das Bündnis 90 jetzt aufgestellt hat, das komme ihr vor wie »Hexenverbrennung und Inquisition«. hmt