PRESS-SCHLAG
: Das Ei ist zurück

■ Start zur zweiten Saison der World League im American Football: Die Disco-Generation erobert das Stadion

Als die Cheerleader-Truppe in ihren lila-orangenen Kostümen auf die Bühnen sprangen und zum guten alten Thin-Lizzy-Gassenhauer The boys are back in town ihr Können demonstrierten, kam Stimmung in den Festsaal des Frankfurter „Marriott“-Hotels. Das American-Football-Team „Frankfurt Galaxy“ hatte zum großen Empfang eingeladen, und zusammen mit dem Oberbürgermeister der Stadt sollte festlich die zweite Saison der World League eröffnet werden. „The egg is back!“ prangten die Plakate über dem großen Buffet.

Vor einem Jahr sah das noch anders aus. In einem kleinen Sachsenhäuser Lokal fand vor einer Handvoll Journalisten die erste Pressekonferenz bei Bier und belegten Broten statt. General Manager Oliver Luck, einst Quarterback bei den Houston Oilers, war nach Frankfurt gekommen und hatte in kurzer Zeit aus dem Nichts eine funktionierende Organisation stampfen müssen. Wenn zum ersten Spiel über 10.000 Besucher kommen würden, würde man sich glücklich schätzen, hieß es damals. Die Sterne standen nicht unbedingt günstig. Der Golfkrieg war im Gange, und ein amerikanisches Spiel, gerne als „Materialschlacht, gespickt mit Härte und Strategie“ beschrieben, zu diesem Zeitpunkt als Exportschlager anzupreisen, war keine leichte Aufgabe.

Am Ende der Saison jedoch hatte die Galaxy überraschend einen Zuschauerschnitt von über 33.000 aufzuweisen, den Eintracht Frankfurt selbst dann nicht erreicht, wenn die Mannschaft um die deutsche Fußball-Meisterschaft mitspielt. Eine Region erlebte die totale Football-Hysterie.

Von überallher pilgerten Fans nach Frankfurt, um beim „Entertainment bis zum Anschlag“ dabei zu sein. Die Richterskala in Sachen Reizüberflutung war nach oben hin offen: Feuerwerk, Cheerleader, Hubschrauber, Fallschirmspringer, Rockhymnen, la Ola aus allen Richtungen und jede Menge ähnlicher Firlefanz — alles war erlaubt. Galaxy-Veranstaltungen ähnelten einer riesigen Party und trafen den Nerv der MTV-Generation: Vor der Disco ging man ins Stadion. Das sportliche Ereignis fand nebenbei statt.

Sinn und Zweck der World League ist es, den von den 28 Profiteams der National Football League (NFL) beherrschten Markt kommerziell weiter auszubauen. Neue Fernsehgelder sollen in den USA erschlossen, in Europa der Verkauf von Kappen und T-Shirts angeheizt werden. Sportlich soll die World League jungen Spielern, die den Sprung in die NFL nicht geschafft haben, die Möglichkeit zur Weiter-Profilierung geben. Gerade mal 20.000 Dollar verdient durchschnittlich jeder Spieler, von einigen Ausnahmen abgesehen. 28 Spieler aus dem vergangenen Jahr haben Verträge bei großen Teams bekommen.

Letzteres hat wohl auch die NFL- Oberen überzeugt, weiter in die World-League zu investieren. Denn als am Ende der letzten Saison die Rechnungen auf den Tisch kamen — die sieben US-Organisationen machten im Gegensatz zu den drei europäischen Teams aus London, Barcelona und Frankfurt doch erhebliche Verluste —, war das Geschrei der Bosse zunächst riesengroß und eine zweite Saison lange gefährdet. Erst ein neuer Fernsehvertrag mit ABC und das Argument „Talentschmiede“ sicherten den Fortbestand.

In Frankfurt hätte man die Welt nicht mehr verstanden, gäbe es dieses Jahr keine Galaxy mehr. Denn das Football-Fieber hält an. Knapp 9.000 Dauerkarten (die Saison geht vom 21.März bis zum 6.Juni) sind bereits abgesetzt. Selbst zum Vorbereitungsspiel, dem sogenannten Tie-Breaker-Game (bei Punktgleichheit am Ende der Saison entscheidend), gegen die New York/ New Jersey Knights kamen an einem ungemütlichen Sonntagnachmittag noch 16.471 Zuschauer ins Waldstadion. Auch wenn die Knights auf dem Spielfeld gegenüber der Galaxy einen reiferen Eindruck hinterließen, sie siegten verdient 28:9, tat dies der guten Stimmung keinen Abbruch. You gotta fight for your right to paaartiiiee!

Galaxy-Trainer Jack Elway, Vater des Star-Quarterbacks der Denver Broncos, John Elway, sah das schon differenzierter. Eine Woche vor der ersten offiziellen Begegnung in Barcelona gegen die dort ansässigen Dragons vermißte er die nötige Konzentration seiner Angriffsformation und zeigte sich nur mit seiner Abwehr zufrieden. Enttäuscht war er vor allem von seinen unterdurchschnittlichen Kickern. Hier muß Stephan Maslo, einer der drei Deutschen im Galaxy- Kader, aufpassen, daß er nicht zu den fünf Spielern gehört, die diese Woche noch aus dem Kader gestrichen werden. Denn alle Spieler sind nach texanischem Recht in der World-League angestellt. Da kann der Spaß schnell vorbei sein. One day you're hired, the next day you're fired. Andreas Lampert