Südafrikas Weiße entscheiden über schwarze Zukunft

■ Für die einen ist im heutigen Referendum ein Ja zum Reformkurs de Klerks das Ende der Rassentrennung, für die anderen, seinen konservativen und ultrarechten Gegnern, das Reich des...

Südafrikas Weiße entscheiden über schwarze Zukunft Für die einen ist im heutigen Referendum ein Ja zum Reformkurs de Klerks das Ende der Rassentrennung, für die anderen, seinen konservativen und ultrarechten Gegnern, das Reich des Bösen. Viele sind unentschieden.

AUS JOHANNESBURG HANS BRANDT

Am Vorabend des entscheidenden Referendums über Südafrikas Zukunft hat die Gewalt in schwarzen Wohngebieten am Wochenende mehr als 40 Menschenleben gefordert. Seit Ankündigung der Abstimmung vor drei Wochen sind mehr als 270 Menschen ermordet worden. Von ultrarechten Politikern wird das Ausmaß der Gewalt gern als „Beginn des Bürgerkriegs“ dargestellt. Die Gewalt könnte die sehr große Gruppe unentschiedener Wähler dazu bringen, heute mit „Nein“ gegen die Demokratisierung zu stimmen oder sich der Stimme zu enthalten. Es wird ein sehr knappes Ergebnis erwartet.

Bei den politischen Kämpfen geht es zwar nicht direkt um den Reformprozeß in Südafrika. Aber Beobachter meinen, daß die Gewalt von ultrarechten Sympathisanten angefacht wird, um das „Chaos“ zu demonstrieren, das Reformkritiker von der Übergabe der Macht an eine schwarze Mehrheit erwarten. So wurden am Wochenende in Alexandra, einem schwarzen Wohngebiet nördlich von Johannesburg, zwei Menschen getötet, als die Polizei die Bewohner eines Heimes für Wanderarbeiter daran hinderte, schwer bewaffnet zu einer Beerdigung zu gehen. Die Kämpfe in Alexandra dauerten am Montag an. Und bei dem schwersten Angriff der letzten Tage wurden am Freitag 18 Menschen getötet, als Wanderarbeiter eine Slumsiedlung bei Durban überrannten.

Politische Umfragen sind in den letzten Tagen vor einer Abstimmung in Südafrika verboten. Deshalb gibt es keine aktuellen Einschätzungen darüber, wie das Referendum ausgehen wird. Aber alle früheren Erhebungen stellten eine sehr große Gruppe unentschiedener Wähler fest, deren Stimmverhalten für den Ausgang des Referendums entscheidend ist. Bei den Zauderern handelt es sich offenbar vor allem um Wähler in städtischen Gebieten, die bisher eher liberale Oppositionsparteien unterstützt haben. Aber die Angst vor einer schwarzen Regierung, kombiniert mit Unmut über wirtschaftliche Rezession und zunehmende Kriminalität haben diese Wähler verärgert. Einige wollen offenbar der Abstimmung fernbleiben, was eher der „Nein“-Kampagne nutzen würde. Andere wollen aus Protest sogar mit „Nein“ votieren.

„Wenn wir das Referendum gewinnen wollen, müssen wir große Mengen städtischer Wähler mobilisieren“, sagt James Selfe, Wahlstratege der liberalen Demokratischen Partei (DP), die für ein „Ja“ wirbt. „Die haben am meisten zu verlieren, wenn der Reformprozeß zum Stillstand gebracht wird.“ Am wichtigsten sind dabei die Ballungsgebiete um Johannesburg und Pretoria. Hier leben etwa die Hälfte aller weißen Wähler. In Johannesburg wird ein „Ja“ erwartet, in Pretoria ein „Nein“. In ländlichen Gebieten gilt ein Sieg der „Nein“-Stimmen als sicher.

Ein „Nein“ könnte schlimme Folgen haben

Weiße Südafrikaner würden in dem Referendum „die schwerwiegendste Entscheidung in der jüngeren Geschichte unseres Landes“ treffen müssen, sagte Präsident Frederik de Klerk am Sonntag abend zum Abschluß seiner Wahlkampagne. „Weiße Sicherheit kann sich nicht gründen auf Unrecht, Rassismus, Diskriminierung oder unrealistische Träume vom Separatismus“, sagte de Klerk. „Das kann nur durch Reform und Verhandlung erzielt werden.“ De Klerk „verhandelt sich selbst in die Machtlosigkeit“, meinte dagegen Andries Treurnicht, Führer der ultrarechten Konservativen Partei (CP) am Sonntag. „Er kann uns deshalb gar keine Sicherheit garantieren. Eine Nein-Stimme ist eine Stimme für wirkliche Demokratie.“

De Klerk und seine Verbündeten hatten anfangs voller Zuversicht einen haushohen Gewinn der „Ja“- Stimmen vorausgesagt. Inzwischen sind sie vorsichtiger geworden. „Ich wäre schockiert und sehr überrascht, wenn die Ja-Stimmen weniger als 55 Prozent ausmachen würden“, meinte Stoffel van der Merwe, Generalsekretär von de Klerks Nationaler Partei (NP) am Sonntag.

Ein „Nein“ würde für Südafrika verheerende Folgen haben. Schon jetzt sind eine Reihe von Millionengeschäften bis nach Dienstag auf Eis gelegt worden, einige Verträge würden im Falle eines „Neins“ zurückgezogen werden. Und es ist klar, daß im Falle einer CP-Regierung erneut Sanktionen verhängt werden würden, auch ohne eine entsprechende Forderung des ANC. Für den ANC ist das effektive Veto, das den Weißen mit dem Referendum eingeräumt wird, eine politische Travestie, mit der die Organisation sich nur schwer abfinden kann. „Für uns ist de Klerk der Führer einer illegitimen und diskreditierten Regierung“, sagte Mandela am Freitag. Dennoch sei der Verhandlungsprozeß von überragender Bedeutung. „Um den Prozeß zu retten und dafür zu sorgen, daß die Kräfte des Friedens sich durchsetzen, haben wir den Weißen geraten, mit Ja zu stimmen.“ Selbst wenn das „Nein“ sich durchsetzen sollte, so Mandela, würde der ANC alles tun, um den Codesa-Prozeß zu retten. Aber der ANC-Präsident warnt: „Wenn die Weißen für Repression stimmen, wird dieses Land nie dagewesenen Aufruhr erleben.“