Acoustic Pieces

■ David Moss im Café Springfeld

Aus David Moss sprechen immer viele Stimmen. Der Mann ist ein wandelnder babylonischer Turm (er hat auch dessen Statur), ein Sammelsurium unmöglicher Sprachen, eine Horde durcheinander schnatternder Typen. Es ist kein Wort zu verstehen, aber trotzdem alles verständlich. Seine Stücke haben den Charakter surrealer Dramoletten, in denen eine Vielzahl von Beteiligten mit unbestimmter Mission auftreten. Dargestellt wird das durch schnelle Wechsel der Stimmlage — vom profunden Kellerbaß bis zum höchsten Pfeifregister (das den Wettstreit mit einem Meerschweinchen nicht zu scheuen braucht) — und entsprechender gestisch-mimischer Untermalung. Und dies alles in der zeitraffenden Geschwindigkeit eines Zeichentrickfilms.

David Moss ist präsent, auch wenn er nicht zu sehen ist. Wenn er bei einem seiner Spaziergänge durch den Raum, in dem das Instrumentarium verteilt ist, in einer Nische verschwindet und dort eines der kleinen »Lieder« anstimmt, dann wird's radiophonisch. Das feine Gestenspiel tritt einem dennoch vor Augen, denn die Gebärden sind bereits im Tonfall angelegt. Um so deutlicher wird aber plötzlich, was für eine Vielzahl von Sounds nebenbei auftreten: Quietscher, Pfeifer, Rassler, Heuler, Grunzer. Bedient er jetzt wieder eines seiner merkwürdigen Instrumente? Im Zweifelsfalle ist es doch wieder ein Stimmtrick.

Das Café Springfeld hat ungefähr doppelte Wohnzimmergröße. Intimer geht's kaum noch. Das entpuppt sich an diesem Abend als Glücksfall, denn durch die ungewohnt große Nähe ist eine Vielzahl von klanglichen Details zu hören, die sonst in der Weite einer Halle verloren gingen. Ein Beispiel: Wenn Moss seinen Dilatator — also gewissermaßen ein elektrifiziertes Dildo — in einen Haufen Staniolpapier wirft und gleich darauf eine große Trommel bearbeitet, daß einem das Gehör erdröhnet und Klang zu physikalischer Kraft wird, dann hört man — wenn das Trommelgewitter nachläßt — besagten Rüttelvibrator im Silberpapier leise und lustig vor sich hinsurren.

In einem Akt freiwilliger Selbstbeschränkung verzichtete David Moss auf sein reichhaltiges Arsenal elektronischer Gadgets. So kommen seine Acoustic Pieces auf den mannigfaltigen Geräten um so besser zur Geltung. Er erweckt die umgebaute Zither, den Luftballon, Papiere, Folien, Cymbeln, Trommeln, Kinderdröhnwerk, Concertina zum Klingen und beutet — ohne kurzlebigen Effekten zu verfallen — ihre Klangmöglichkeiten zugunsten seiner Performance weidlich aus. Und er versteht es, die kleineren Ereignisse — Regungen des Publikums, die quietschende Tür und anderes — unmittelbar einzubeziehen. Vielleicht ist es diese Reaktionsgeschwindigkeit, gepaart mit der Lebendigkeit seines Vortrags und der immensen Live-Erfahrung, die sein Publikum in den Bann zieht.

Zum Schluß gibt es noch eine Session mit Robert Ruttman, der eine überdimensionierte Nagelgeige, eine Art Stahlcello, bedient. Moss gebraucht eine mit Maiskörnern und Glasmurmeln präparierte Steeldrum, die ihn, nicht zum ersten Mal an diesem Abend, auch als furiosen Drummer ausweist. Yeahh. Frank Hilberg