QUERSPALTE
: Bausenator kapituliert

■ AL-Abgeordneter Cramer darf Nagel Filz vorwerfen

Die Waffen strecken mußte kürzlich Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) — respektive sein Anwalt Friedrich-Wilhelm Deus — vor dem grünen Abgeordneten Michael Cramer, Kämpfer gegen Filz und für öffentlichen Nahverkehr. Cramer hatte im 'Tempelhofer Wochenblatt‘ gesagt, da der Ausbau der S- Bahn in Berlin unnatürlich viel koste und schleppend vorangehe, müßten Filz und Korruption bei der Senatsbauverwaltung im Spiel sein — ein Verdacht, der nicht frei erfunden scheint, nachdem schon mal gegen mehrere Mitarbeiter der Bauverwaltung einschlägig ermittelt wurde. Das 'Tempelhofer Wochenblatt‘ traf Nagel schwer. Der Vorwurf sei »unwahr und ehrverletzend«, so sein Anwalt Deus, der Cramer postwendend aufforderte, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Cramer dürfe nie mehr behaupten, zwischen Baulobby und Senatsbauverwaltung herrsche Filz, andernfalls sei eine Konventionalstrafe von 10.000 Mark fällig. Nun wird aber derzeit tatsächlich gegen einen Hauptsachbearbeiter der Bauverwaltung Anklage wegen Bestechlichkeit vor dem Landgericht erhoben — der Mann soll Geld dafür bekommen haben, daß er Informationen über Ausschreibungen an Baufirmen lieferte. Das war für Cramers Anwalt Hajo Ehrig der Beweis, daß es Filz und Korruption in der Verwaltung gibt — und er drehte den Spieß elegant um. »Zur Vermeidung einer negativen Feststellungsklage«, so Ehrig an Deus, »gebe ich Ihnen Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen von dem behauptetem Unterlassungsanspruch Abstand zu nehmen.« Mit anderen Worten: Deus sollte erklären, daß er Cramer nicht mehr zwingen wird, von seinen Vorwürfen abzurücken. Termingerecht gab Deus klein bei. Man wolle doch beiderseits keine gerichtlichen Schritte einleiten, schrieb er an Ehrig. Dieser reichte mit der fröhlichen Bemerkung: »Anliegend übersende ich die Kapitulationsurkunde der Senatsbauverwaltung«, das Schreiben an Cramer weiter. Was heißt, daß man nun behaupten darf, zwischen Baulobby und Senatsbauverwaltung herrsche Filz und Korruption. Eva Schweitzer