ST. PATRICK UND GUINNESS: MORALISCH EINWANDFREI Von Ralf Sotscheck

Das Beste am Katholizismus sind die Heiligen. Ein jeder von ihnen ist für etwas anderes zuständig: Christopherus für die Reisenden, Anton für verlorene Gegenstände, Judas für hoffnungslose Fälle und Blasius für Halsweh.

Doch nur die Erfolgreichsten unter ihnen bringen es zu einem Nationalfeiertag. Dazu gehört der Heilige Patrick, der im fünften Jahrhundert die irischen Heiden christianisiert und nebenbei die Schlangen vertrieben haben soll, die sich bis heute nicht auf die Grüne Insel zurückgewagt haben. Ob sich das alles wirklich so abgespielt hat, ist zwar keineswegs sicher, aber zumindest steht der Geburtstag des Heiligen fest: der 17. März.

So war gestern wieder ganz Irland auf den Beinen. Morgens gingen die Familien in die Kirche, anschließend zur kilometerlangen Parade, auf der die großen Firmen ihre weltlichen Produkte anpriesen, und danach endlich in die Kneipe.

Doch während die Mütter abends mit den Kindern nach Hause mußten, tranken die Väter zu Ehren Patricks weiter, bis sie die Englein singen hörten. Diesen zünftigen Brauch haben die Iren in die ganze Welt exportiert: Überall dort, wo irischstämmige Menschen leben (und davon gibt es immerhin 70 Millionen), wurde dem Heiligen gestern zugeprostet — vor allem in den USA.

Die Paraden, die dort bereits seit über hundert Jahren stattfinden, hatten früher durchaus auch einen politischen Aspekt: Die irischen Auswanderer protestierten gegen ihre Diskriminierung und forderten ihre Eingliederung in die amerikanische Gesellschaft.

Diesen Aspekt haben selbsternannte Hüter der Moral nun ins glatte Gegenteil verkehrt. Den Tag des Heiligen durften gestern nur moralisch einwandfreie IrInnen feiern, und dazu gehören auf keinen Fall Schwule und Lesben.

Der katholische „Alte Orden der Hibernier“, der die Parade in New York organisiert hatte, untersagte ihnen die Teilnahme, weil Homosexualität laut katholischer Lehre eine Sünde ist. In Boston, wo die Parade bereits am Sonntag stattfand, hatten die irischen Homosexuellen ihre Teilnahme per Gerichtsurteil durchgesetzt. Sie hatten allerdings nichts zu lachen: Unterwegs wurden sie von ihren Landsleuten mit Eiern, Tomaten und Münzen beworfen.

Das „Gay and Lesbian Equality Network (GLEN)“, eine Homosexuellen-Initiative, rief nun zum Boykott einer anderen heiligen irischen Institution auf: Guinness. Die Brauerei gehörte nämlich zu den Hauptsponsoren der New Yorker Parade. Ob der Aufruf in Irland auf fruchtbaren Boden fällt, ist jedoch zu bezweifeln. Gestern floß das „schwarze Gold“ jedenfalls in Strömen.

Die Mitgliedschaft in der IRA steht den Moralvorstellungen der Sündenverhinderer dagegen nicht im Weg. Der Hibernier-Orden hatte zum Entsetzen der irischen Regierung ausgerechnet Joe Doherty zum Ehrenmarschall der Parade in New York ernannt. Doherty sitzt zur Zeit wegen Polizistenmordes in einem Belfaster Gefängnis. Und in San Francisco teilten sich Nessan Quinlivan und Pearse McAuley den Titel als Ehrenmarschall. Diese beiden sind die meistgesuchten Personen in Großbritannien. Sie sollen hinter der IRA-Bombenkampagne in England stecken.

Aber wenigstens sind sie nicht schwul. Den Schwulen und Lesben blieb dagegen nur noch, zu Sankt Judas zu beten. Der ist schließlich für die Unheilbaren zuständig.