Wer sind die Sefarden?

Sefarad ist der hebräische Name für Spanien. Unter Sefarden werden diejenigen Juden verstanden, die nach der Vertreibung aus Spanien 1492 hauptsächlich nach Marokko, aber auch in den Einzugsbereich des osmanischen Reiches und teilweise nach Frankreich, England, Holland und Italien flüchteten. Sie bildeten zumeist kleine, nach ihren Herkunftsorten zusammengesetzte Gemeinschaften. Noch heute versuchen sie, ihre Riten und vor allem ihre Sprache, den kastilischen Dialekt (jüdisch-spanisch) zu bewahren. In den arabischen Ländern waren die Sefarden nur eine von verschiedenen kleinen Gemeinden, während sie in Europa die einzigen nicht- aschkenasischen Juden waren.

Eine große Anzahl der Nachfahren der Sefarden ist — verstärkt durch den Holocaust — nach Israel ausgewandert. Dort hat sich jedoch eine sprachliche Verwirrung ausgebreitet. In Israel werden heute irrtümlich alle aus orientalischen Ländern eingewanderten Juden Sefarden genannt, obgleich die Mehrheit von ihnen ihren Ursprung nicht in Spanien hat. So sind Juden aus dem Jemen, dem Irak oder dem Iran sicherlich nicht sefardischer Herkunft. Der Sammelname Sefarden bezeichnet Juden orientalischer Herkunft, von denen viele den unteren Gesellschaftsklassen angehören. Er gilt als negatives Gegenstück zu den Aschkenasen, den weißhäutigen Einwanderern aus Zentraleuropa, die in der israelischen Gesellschaft traditionell die Machtpositionen innehaben. Die „echten“ Sefarden bilden unter den orientalischen Juden Israels eine Art aristokratischer Minderheit. Vom ehemaligen Oberrabbiner von Tel Aviv, Toledano, ist bekannt, daß er hinter seine Unterschrift ein Zeichen setzte, das betonen sollte, daß er „echten spanischen Ursprungs“ war. Der ehemalige israelische Staatspräsident Jizchak Navon galt als authentischer Vertreter der Sefarden, der durch seine Sprachgewandheit und dem Orient zugewandte Kultur von den übrigen Staatsoberhäuptern Israels leicht zu unterscheiden war. Navon war im übrigen der einzige nicht-aschkenasische Präsident des Landes. Amos Wollin

Foto: Ullstein, „Die Vertreibung der Juden

aus Spanien 1492“, Gemälde M. v. Zichy