Tour d‘Europe

■ Sefarad-Nostalgie

500 Jahre danach ist die Vertreibung der Juden aus dem Sefarad in diesem Jahr zum musealen Top-Thema geworden. Fast überall dort, wo im 15. und 16.Jahrhundert jüdische Flüchtlinge von der iberischen Halbinsel Hilfe suchten, ist der Jahrestag Anlaß für Ausstellungen, Theater und Diskussionsveranstaltungen. Das „Goldene Zeitalter“ — jene häufig idealisierten Jahrhunderte in der Geschichte Spaniens und Portugals, in denen Juden, Moslems und Christen ohne größere Konflikte zusammenlebten — und die Darstellung der späteren Diaspora stehen dabei an zentraler Stelle. Auch die Verfolgung durch die Nationalsozialisten, die zahlreiche sefardische Juden 450 Jahre nach ihrer Vertreibung aus Spanien das Leben kostete, wird thematisiert. Kaum museal aufbereitet ist hingegen die Verfolgung derjenigen Juden, die in Spanien blieben und Opfer der Inquisition wurden.

Die ehrgeizigste Ausstellung läuft noch bis zum 26. April im Martin-Gropius-Bau in Berlin. Unter dem Titel Jüdische Lebenswelten versucht sie eine Weltreise zu den Orten und Gedanken jüdischer Geschichte. Mehrere Säle sind dem Sefarad sowie dem jüdischen Leben danach in Marokko, Thessaloniki, Istanbul und Amsterdam gewidmet. 400 Jahre Juden in Hamburg heißt eine Ausstellung im Hamburger Museum für Geschichte, die bis zum 5.April läuft. Sie enthält Dokumente über die Familien Texeira, Luria de Lemos, Padro und de Castro, die sich nach Zwischenstationen in Antwerpen und Amsterdam im 16.Jahrhundert als erste Juden in der Hansestadt niederließen. Die meisten von ihnen verließen sie bis zum Anfang des 18.Jahrhunderts wieder und kehrten in das liberalere calvinistische Amsterdam zurück.

In Amsterdam richtet das Joods Historisch Museum (Jonas Daniel Meyer-Plein 2-4) vom 17. bis zum 21.August eine Sommeruniversität zum Thema Sefardisches Erbe aus. Bereits im vergangenen Jahr zeigte das Museum Portugiesische Juden in Amsterdam — Fotos von den letzten überlebenden „Maranen“ (heimlich praktizierende Juden) im portugiesischen Belmonte.

Die spanische Stadt Toledo setzte aus Anlaß des Jahrestages ihre Synagoge instand. Die dortige Ausstellung Jüdisches Leben im Sefarad ging zwar schon im Januar zu Ende, doch seither beherbergt die Sinagoga del Tránsito eine feste Ausstellung über das jüdische Leben in Spanien. In Wien zeigt das Jüdische Museum vom 14. Mai bis zum 26.Oktober Sefardim, Spaniolen über die Diaspora nach 1492. Das Leben vor der Vertreibung aus Spanien nimmt das Jüdische Museum in Eisenstadt unter die Lupe. (18.5. bis 26.10.)

Mehrere große Veranstaltungen finden in den USA statt, wohin zahlreiche sefardische Juden seit dem 19. Jahrhundert gelangten: Das ganze Jahr über zeigt das Yeshiva University Museum in New York die Ausstellung Sefarad mit Kultgegenständen, Handschriften, Gebrauchsobjekten und Kleidern. Von September bis Dezember plant das Jewish Museum in New York eine weitere Ausstellung unter dem Titel Convivencia (Zusammenleben) über die Wechselbeziehung zwischen Christen, Moslems und Juden in Spanien. Eine weitere Ausstellung über den Sefarad soll im Herbst im Museum der jüdischen Diaspora in Tel Aviv gezeigt werden. dora