: Trennung durch Vereinigung
■ Ein Stück Ost-West-Geschichte: „Dornberger“, 21.00 Uhr, ARD
Die Buchvorlage zur HR-Produktion Dornberger stammt aus der Feder des renommierten DDR-Fernsehautoren Gerhard Bengsch. Obwohl in der ehemaligen DDR seit 1982 kein Film mehr von ihm gesendet werden durfte, ist Bengsch kein kategorischer Sozialismus-Hasser: „Von Kindheit an hatte ich sozialistische Ideale, die ich noch für realisierbar hielt, und zwar weiterhin in einem eigenen, aber gründlich veränderten Staatswesen. Als dann für die DDR die letzte Stunde schlug, war mir nicht nach Feuerwerk und Sekt.“
Martin Dornberger (Peter Bongartz), der Hauptfigur des Films, den Franz Peter Wirth nach einer Geschichte Gerhard Bengschs drehte, geht es da nicht anders. Als Leiter einer Produktionsgenossenschaft für Binnenfischer bewohnt er ein stattliches Anwesen. Dornberger ist der wichtigste Mann im Ort, jedoch alles andere als ein zynischer Parteibonze. Mit selbstloser Hingabe an den Betrieb versucht er nach Kräften, das sozialistische Ideal von der Arbeit ohne Zwang für alle zu verwirklichen. Eine Beziehungskrise mit seiner Frau Lilli (Iris Berben) eskaliert, als Dornbergers Jugendfreund, der weltmännische West-Jurist Seidler (Volker Kraeft), zu Besuch erscheint. Daß Lilli nach der Grenzöffnung eine rauschende Nacht bei Seidler im Westen verbringt, wirkt nicht gerade wie eine Frischzellenkur auf die Ehe. Und als einige Tage später die rechtmäßigen Grundstücks-Erben aus dem Westen Dornberger ein „freundliches“ Angebot für sein eigenes Haus unterbreiten, ist die No-future-Stimmung perfekt.
Die Sympathien des Films liegen bei dem Utopisten Dornberger, einer liebenswürdigen Figur, die viel Raum zur Artikulation seiner Ideen bekommt. Die Vereinigung bedeutet für ihn eine Entwurzelung in jeder Beziehung, die mit einer gehörigen Portion Klischees vermittelt wird. So ist Lilli die materiell und rational orientierte Frau, die ihren Mann betrügt, weil sie sich von den Verlockungen des Westens verführen läßt. Als integrer Träumer ist Dornberger Opfer der Geschichte, die über ihn hinwegrollt.
Das Hauptproblem, das sich angesichts dieses bis in die Nebenrollen gut besetzten, eigentlich brandaktuellen Ost-West-Films stellt, ist jedoch ein anderes. Obgleich die Dreharbeiten erst Ende des vergangenen Jahres abgeschlossen wurden, ist Dornberger schon wieder veraltet. Nach der Öffnung der Stasi-Akten ist es zwar nach wie vor statthaft, aber nicht mehr ganz so einfach, die Vereinigung als bulldozerhafte Einebnung der neuen Bundesländer darzustellen. Aus heutiger Sicht macht das komplexe Gespinst der Bespitzelung, das den DDR-Staat wie ein Karzinom durchwuchert hat, auch nicht vor der kleinen Stadt Kabelow halt, die uns Dornberger als Mini- Biotop des Sozialismus vorstellt. Insofern steht die Perspektive, die uns der Film mit all seine Stärken und Schwächen offeriert, für eine Epoche, die heute schon wieder Geschichte ist. Aus diesem Blickwinkel wird der Film aber auch wieder interessant. Manfred Riepe
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