Integration nach Mainzer Art

Auch wenn sich alle Beteiligten mit der Kompromißlösung zum nationalen Hörfunk zufriedengeben: Noch sind viele Probleme ungelöst  ■ Von Karl-Heinz Stamm

Eigentlich, so möchte man meinen, sind nach dem Beschluß der Ministerpräsidenten zum nationalen Hörfunk alle zufrieden. RIAS-Intendant Drück ist zufrieden, weil die gleichberechtigte und gleichgewichtige Programmarbeit aus Berlin und Köln festgeschrieben wurde, die DS-Kultur-Chefredakteurin, Monika Künzel, ist zufrieden, weil überhaupt entschieden wurde, und auch Edmund Gruber, der Intendant des Deutschlandfunks, ist zufrieden, weil der DLF als „selbständige Rundfunkanstalt“ erhalten bleibt. Verständlich ist dabei am ehesten die Freude, die die DS-Chefin verspürt: Nach monatelangem Hickhack ist jetzt der zermürbende Schwebezustand beendet.

Auf der politischen Ebene beginnt nun die Feinarbeit, denn die Länderchefs haben zwar einen Eckwerte- Katalog festgelegt, die Crux steckt aber im Detail. Auf zwei Ebenen muß der Organisationsrahmen des nationalen Radios abgesichert sein. Zum einen muß ein Staatsvertrag ausgearbeitet werden, dem sowohl die 16 Ministerpräsidenten als auch die Parlamente zustimmen; zum anderen muß ein Vertrag formuliert werden, der die Übernahme der vom Bund getragenen Sender regelt. Eine Arbeitsgruppe wird sich Mitte April zusammensetzen, um diese Fragen zu erörtern. Mit am Tisch sitzen dann aber auch Vertreter von ARD und ZDF, das für Medienfragen zuständige Innenministerium und die Betroffenen. Das alles braucht Zeit: „Kurzfristig“, so ein Rundfunkreferent, der bei den Verhandlungen am Katzentisch gesessen hatte, „läßt sich da gar nichts machen.“

Problematischer wird es da schon bei der Frage, wie die beiden Programme aussehen sollen. Zwar ist im Ministerpräsidentenbeschluß von Kultur und Information die Rede, eine genaue Definition des Programmprofils wurde aber bewußt offengelassen. Jetzt sind zwei Interpretationen möglich: Entweder haben beide Programme die genannten Schwerpunkte oder es gibt jeweils ein Informations- und ein Kulturprogramm. Wird das Ganze nicht im Staatsvertrag fixiert, muß die zukünftige Körperschaft darüber entscheiden. Pessimisten sind aber schon heute der Meinung, daß der DLF im großen und ganzen bei seinem Programm bleiben möchte. Dies hätte zur Folge, daß sich RIAS und DS-Kultur eine Welle teilen müßten.

Aus Berliner Sicht ist das natürlich untragbar. Die Zauberformel heißt deshalb Vollprogramm und wurde von RIAS-Intendant Drück ins Spiel gebracht. Nun hat der RIAS mit seinem treuen Hörerstamm und guten Einschaltquoten schon einige Pfunde, mit denen er wuchern kann. Die Kultur allerdings gehört nicht dazu. Wenn man sich aber darauf einigt, daß die Kultur aus der Hauptstadt kommen soll, käme das dem Klassiksender aus dem Ostteil der Stadt entgegen. Denn seit seinem Start konnte sich der Sender an der Ostberliner Nalepastraße als ein veritabler Kultursender profilieren. Und auch die beiden Statthalter, Reinhard Appel (ZDF) und Lothar Loewe (ARD), vermitteln heute, nach einer Verunsicherungsphase, mehr Selbstbewußtsein. Und so werden bei DS-Kultur denn auch schon Stimmen laut, die die beiden Hörfunkbeauftragten dazu anstiften wollen, eine Diskussion über das Programm anzuzetteln. Eine Programmkommission soll her, die alle beteiligten Sender an einen Tisch holt. Denn eines ist klar: Die Staatssekretäre und Rundfunkreferenten machen sich jetzt zwar daran, die Eckwerte zu füllen, doch Programme formulieren sie nicht.

Das Hauptproblem aber dürfte die große Zahl der Mitarbeiter aller drei Sender sein, sie liegt bei 1.650. Eine interne Rechnung hat ergeben, daß bei einem Gebührenaufkommen von monatlich 75Pfennig (320 Millionen im Jahr), die zukünftige Körperschaft nicht mehr als 750 Mitarbeiter verkraften kann. Jetzt wird man Dieter Stolte beim Wort nehmen müssen, der unter dem Stichwort „Sozialverträglichkeit“ lauthals verkündete, allein ARD und ZDF seien in der Lage, in einem entsprechenden Zeitrahmen diejenigen weiterzubeschäftigen, die bei der Aktion „Aus drei mach zwei“ auf der Strecke bleiben.

Auch wenn der neue Beschluß nur zwei bundesweite UKW-Wellen vorsieht, so ist immer noch fraglich, wie er frequenztechnisch realisiert werden kann. Denn die Ausgangslage sieht so aus, daß heute die von den drei Sendern genutzen UKW- Frequenzen noch nicht einmal die Hälfte der bundesdeutschen Haushalte erreichen. Aber mit ihrer Unterschrift stehen jetzt die Länder im Wort, und schließlich werden durch den Abzug der Alliierten ja zusätzliche Frequenzen frei.

Egal wie das Gerangel um Wellen und Programme ausgeht, drei DS- Mitarbeiter der Leitungsebene werden das Gezerre um Sendeplätze und Programmprofil nur aus der Ferne beobachten. Einer von ihnen ist Heiner Noske, Leiter der Abteilung „Kunst und Publizistik“. Im Rahmen eines von ZDF-Intendant Dieter Stolte so genannten „Integrierten Leitungsteams“ wird er bis Jahresende in Mainz weilen, während sein Posten derweil von einem Wessi aus der Aspekte-Redaktion besetzt wird. Zwar schloß Stolte nicht aus, daß aus Noske bis zum Jahresende ein TV- Mann wird, Umgekehrtes kam ihm nicht in den Sinn. Das ist, möchte man sagen, Integration nach Mainzer Art.