Widerspruch

■ betr.: "Nun flieget hinaus in alle Welt", taz vom 9.3.92

betr.: „Nun flieget hinaus in alle Welt“, von Hermann-Josef Tenhagen, taz vom 9.3.92

Sehr geehrte Damen und Herren,

der genannte Beitrag ist in einer unverantwortlichen Weise voreingenommen, verzerrend, unterstellend und anschuldigend geschrieben, daß er nicht unwidersprochen bleiben darf.

Zunächst zum Artikel selber:

1. Der Beitrag berichtet, ich habe den Umweltschützern „Stasi-Methoden“ vorgeworfen. Richtig ist, daß ich gesagt habe: Die Anschuldigung gegen den VEM-Mitarbeiter, Dr. Siegfried Zöllner, folgt demselben Muster, wie es die Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit tut: Erst wird jemand beschuldigt, dann wird diese Beschuldigung veröffentlicht, und dann wird dem Beschuldigten freundlicherweise gestattet, sich auch zu äußern. Ein faires Gespräch würde ja mit dem Beschuldigten vorher stattfinden.

2. Die Äußerung „Wo der Fernsehapparat läuft, erzählt die Großmutter nicht mehr“ wurde in der Diskussion nicht von Missionskritiker Frey benutzt, sondern von mir selber. Um das zu belegen, füge ich Ihnen einen Aufsatz bei, den ich im Dezember 1990 für die Zeitschrift ‘Schritte' geschrieben habe. Ich habe ausgeführt, daß durch das Vordringen der Zivilisation die mündliche Überlieferung abreißt und daß dadurch die Alphabetisierungsarbeit für den Erhalt einer Kultur eine Schlüsselfunktion bekommt.

Der in der Veranstaltung der Regenwaldgruppe beschuldigte Siegfried Zöllner hat im Rahmen seiner Arbeit in Irian Jaya von 1960 bis 1973 das Neue Testament in die Yali- Sprache übersetzt. Damit hat er sprachwissenschaftliche Arbeit geleistet und eines der wichtigsten Kulturgüter, nämlich die Sprache erhalten, gestärkt und den Anforderungen der Zeit angepaßt. Die wissenschaftlichen Ergebnisse seiner Arbeit hat Zöllner in seiner Dissertation niedergelegt, die 1976 erschienen ist.

Zum Artikel selber:

1. Die Behauptung, die Kirche habe Strafexpeditionen gebilligt und selber durchgeführt, trifft nicht zu. Richtig ist: Nach der Ermordung von zwei amerikanischen Missionaren führte die regierung in der Tat eine Strafexpedition durch. Die Missionen wurden dazu nicht um ihre Meinungen gefragt, erst recht haben sie eine solche Strafexpedition nicht erbeten. Außerdem ist es wichtig zu wissen, daß dabei kein Mensch ums Leben gekommen ist.

2. Der Beitrag geht von der Voraussetzung aus, daß Irian Jaya nicht rechtmäßiger Bestandteil von Indonesien ist. Diese politische Frage hat jedoch mit der ökologischen Frage (Regenwaldproblematik) nichts zu tun. In Papua-Neuguinea sind die ökologischen Probleme keineswegs besser gelöst als in Indonesien, wie eine kürzlich vom Starnberger Institut zur Erforschung globaler Strukturen, Entwicklungen und Krisen, erstellte Studie nachweist.

3. Die Vorstellung, man könne ganze Gebiete und Volksgruppen in dauerhafter Isolation vom Rest der Menschheit fernhalten und sie unter „Artenschutz stellen“, verkennt, daß jede Kultur einem beständigen Wandel unterworfen ist. Wenn indigene Kulturen einer Zivilisation begegnen, die von einem naturwissenschaftlichen und technischen Denken geprägt ist, so kommt es in der Tat zu einem Bruch in der Identität. Der Vorwärtsentwicklung der Zivilisation und dem damit verbundenen Kulturwandel kann sich aber kein Volk entziehen. Ziel der kirchlichen Arbeit und damit auch der Missionsarbeit ist es, bei den Menschen, deren animistisches Weltbild zerbricht, ein neues Selbstbewußtsein und Selbstwertgefühl zu entwickeln. Ohne die von der Mission geleistete Bildungsarbeit wären heute Dani und Yali nicht im Kreisparlament vertreten, würden keine höheren Schulen besuchen und an Universitäten studieren.

Es kann nicht bestritten werden, daß es für die Dani und Yali im Hochland von Irian Jaya heute viele Probleme gibt, die es früher nicht gegeben hat. Wer aber meint, er müsse sich gegen den Kulturwandel stemmen und die Hochland-Papua von der Außenwelt abschirmen, betreibt in Wirklichkeit ihren Untergang.

Wissenswert ist: Ihrem Artikel und der dargestellten Veranstaltung in Wuppertal liegt die Veröffentlichung „Von Pionieren und Missionaren“ in der Zeitschrift „Ökozid- Journal“ Nr. 3 zugrunde.

Der Ausschuß für entwicklungsbezogene Bildung und Publizistik (ABP) innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat sich in seiner Sitzung am 26. Februar in Frankfurt ausführlich mit dieser Veröffentlichung befaßt. Er stimmte darin überein (und schloß sich damit dem Votum der im Ausschuß mitarbeitenden Journalisten an), daß diese Art von Berichterstattung den Regeln journalistischer Sorgfaltspflicht keinesfalls gerecht wird. H. Bollmann, Referent für Öffentlichkeitsarbeit der Vereinigten Evangelischen Mission