Humboldt-Uni nach Adlershof

■ Verlegung von Teilen der Humboldt-Uni als vollendete Tatsache gehandhabt

Mitte/Adlershof. Eine der wichtigsten Entscheidungen für die Humboldt-Universität und die gesamte Berliner Wissenschaftslandschaft wird derzeit getroffen, ohne daß sie gesellschaftlich diskutiert oder demokratisch legitimiert wäre: die »geplante« Verlegung der naturwissenschaftlichen und mathematischen Fachbereiche aus der Berliner Mitte nach Adlershof.

Bislang gibt es lediglich eine Empfehlung. Sie kommt von der Landeshochschulstrukturkommission, einem von Wissenschaftssenator Manfred Erhardt installierten Beratungsgremium seines Hauses. Das nicht öffentlich tagende Gremium von 25 Wissenschaftlern schlug Ende 1991 vor, in Adlershof einen »Campus Naturwissenschaften der Humboldt-Universität« zu errichten. Bis vor wenigen Monaten arbeiteten in den an der dortigen Rudower Chaussee angesiedelten 18 Instituten der Akademie der Wissenschaften (der DDR) über 4.000 Menschen.

In Berlins Mitte, wo die HUB seit ihrer Gründung zu Beginn des letzten Jahrhunderts beheimatet ist, ließe sich »kein überzeugendes Zukunftskonzept entwickeln, das den Ansprüchen moderner naturwissenschaftlicher Forschung und Lehre« gerecht werde. Zur Schaffung eines naturwissenschaftlichen »Campus Adlershof« in einer »Integrierten Landschaft aus Wissenschaft und Wirtschaft« gebe es keine »gleichüberzeugende Alternative«.

Die Campus-Situation habe sich »weltweit als effiziente Struktur erwiesen«. In Adlershof sei die Zusammenarbeit mit den »positiv evaluierten Arbeitsgruppen« der Akademieinstitute zwanglos zu erreichen. Die enge Nachbarschaft zu privaten Unternehmen erleichtere und fördere »Wechselwirkungen mit der Wirtschaft«.

Obwohl der Akademische Senat der Humboldt-Universität seine Zustimmung zu den »Campus-Plänen« erklärte, kommt harsche Kritik von dort. »Das ist nicht der Rettungsanker, den wir brauchen«, meint der Baudirektor bei Humboldts, Klaus Benischek. »Wir brauchen jetzt Verfügungsräume für Zwischen- und Auslagerung«. Wenn die Humboldt- Universität mit der Sanierung und Erweiterung auf Adlershof warten wolle, dann »müßten wir Teile schließen«, sagt Benischek. Der Baudirektor weist auf die Wissenschaftsgeschichte der Humboldt- Universität in der Stadtmitte hin, wo »untereinander koalierende« Standorte Nobelpreisträger beheimatet hätten.

In Adlershof hingegen konkurrierten Bund und Land mit ihren Besitzansprüchen. Außerdem gebe es noch kein Planungsrecht, und manche Flächen seien inzwischen dreifach an Anleger vergeben.

»Entweder ist das der Anfang vom Ende der HUB«, befürchtet Hilde Schramm von der Alternativen Liste, »oder sie wird zerschnitten.« Die hochschulpolitische Expertin warnt vor einem doppelten Verlust, der die Universität und die Stadt treffe. »Auf so einen belebenden Faktor sollte die Stadt nicht verzichten«, sagt die ehemalige Präsidentin des Abgeordnetenhauses und meint damit die StudentInnen. Diesem Urbanitätsverlust stehe nicht unbedingt ein Gewinn in Adlershof gegenüber. Die Universitäten auf der »grünen Wiese« hätten sich nicht so bewährt, wie die Landeshochschulstrukturkommission das pauschal in ihrer Empfehlung behaupte.

Viel klarer sind die Ziele, die in Adlershof verfolgt werden. Jedenfalls für einen der beiden Geschäftsführer der Entwicklungsgesellschaft Adlershof GmbH, Horst Grosse. In Adlershof soll eine »wissenschaftsbasierter Wirtschaftsstandort« entstehen. Das heißt, daß man durch die räumliche Nähe von Forschungseinrichtungen wie Max-Planck-Instituten oder Fraunhofer-Gesellschaft und der forschungsintensiven Industrie den Austausch von wissenschaftlichem Know-how erleichtern will. Technologietransfer im High- Tech-Park heißt so etwas neudeutsch.

Doch die »technologische Basis« des Standortes in Form von Forschungsgruppen der ehemaligen Akademie der Wissenschaften, die durch die Abwicklungen aus ihren organisatorischen Zusammenhängen gerissen sind, reiche nicht aus als »Aquisitionspotential«. Also, so Horst Grosse, »haben wir uns gefragt: Gibt es noch mehr?« Dieses Mehr ist seiner Ansicht nach der »gesamte naturwissenschaftliche und mathematische Bereich« der Humboldt-Universität.

Beim Wissenschaftssenator gebe es den politischen Willen dazu. »Der hat das schon mehrmals in der Presse gesagt«, meint Grosse, der allerdings noch den Gemeinschaftsbeschluß vermißt. »Wir sind da an einem Punkt, wo wir etwas Druck machen müssen.« Das Wort Studenten nahm Horst Grosse nicht einmal in den Mund.

Auch Helmut Lück, Pressesprecher der Wissenschaftssenatsverwaltung, spricht vom politischen Willen der Beteiligten. Im Moment bereiteten die Fachleute seines Hauses die entsprechende mittelfristige Investitionsplanung vor. »Denn das hat ja gewaltige Investitionen zur Folge«, sagt Lück und beziffert sie auf etwa 800 Millionen Mark. Doch genau dieser politische Wille existiert eben nicht.

Der Wissenschaftsausschuß, erläutert sein Vorsitzender Michael Tolksdorf, habe das Thema des Campus Adlershof zwar andiskutiert, aber beschlossen hätte man nichts. »Spätestens wenn es Geld kostet, werden die Abgeordneten damit beschäftigt«, meint der FDP-Parlamentarier. Möglicherweise lassen die dann die geschaffenen Sachzwänge eine freie Entscheidung kaum noch zu. Christian Füller