Verkehrsprobleme blockieren Umzug

■ Eine Mehrheit der Bonner Abgeordneten ist sich einig, daß der Umzug nach Berlin um Jahre später stattfindet als ursprünglich geplant/ Haupthindernis: Tunnel unter dem Regierungsviertel

Berlin. Der Bundestag kann frühestens in acht Jahren nach Berlin ziehen. Dies vertritt eine Mehrheit von Bonner Abgeordneten verschiedener Fraktionen. Die erste Ausbaustufe des Parlamentsviertels im Spreebogen und damit die Arbeitsfähigkeit des Parlaments könne nicht schon in vier Jahren hergestellt werden, wie es der Bundestag im Juni 1991 beschloß und Berlin es will, stellte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD in Bonn, Franz Müntefering, in einem Thesenpapier fest. Diesem Thesenpapier hat nicht nur die Bonner SPD- Fraktion in ihrer Mehrheit zugestimmt. Auch die CDU sieht das ähnlich, sagte deren Abgeordneter Manfred Möller, der für die CDU in der Bau- und Konzeptkommission des Bundestages sitzt, auf Anfrage. »Bis der Bundestag arbeitsfähig ist, dauert es acht Jahre«, sagte Möller.

Schuld an dieser Verzögerung haben vor allem die Verkehrsprobleme, die auch in den Wettbewerbsvorgaben für das Parlamentsviertel im Spreebogen blieben. In den Vorgaben wird die Frage ausgespart, ob unter dem Regierungsviertel durch ein Eisenbahntunnel zum Lehrter Bahnhof geführt werden soll oder nicht. Dies will der Senat später — im April dieses Jahres, verschiedentlich hieß es auch im Mai oder im Juni — nachreichen. Dieser vom Senat gewünschte Tunnel unter dem Parlamentsviertel stelle eine unglaubliche und kostenmäßig unschätzbare Verzögerung der Baumaßnahmen für den Bundestag dar, sagte Münteferings Fachreferent Walter Bersch. Für den Tunnelbau im Spreebogen habe der Senat bis heute noch nicht einmal ein geologisches Gutachten erarbeiten lassen. Ähnlich argumentierte auch der SPD-Abgeordnete und Berlin-Befürworter Peter Conradi. »Wir wollen nicht, daß der Bau unseres Parlamentsviertels von den Schlüsselfragen der Berliner Verkehrsprobleme abhängig gemacht wird«, sagte er. Der geplante 80 Meter breite Tunnel kann nach Einschätzung von Fachleuten im Spreebogenbereich wegen des weichen Untergrunds nur in offener Bauweise gebaut werden. Auf diese Weise bildet die Tunnelbaustelle über Jahre eine immense Barriere zwischen dem Bundeskanzleramt, das südlich der Spree und westlich der Moltke- und Entlastungsstraße geplant ist, und den Parlamentarierbüros im Spreebogen.

Nicht nur aus diesem Grund wird der Bundestag nach Einschätzung von Müntefering frühestens in acht Jahren umziehen. Allein der Neubau des Kanzleramtes dauere acht Jahre. Erst dann könne der Bundeskanzler umziehen und das Parlament sich anschließen. Außerdem ist sich die Bonner SPD mit der CDU einig, daß der Umbau des Reichstages erst in acht Jahren abgeschlossen werden kann. Vorher sei dies wegen der langen Dauer des Wettbewerbs — der Ende dieses Jahres ausgeschrieben wird — gar nicht möglich, sagte der CDU-Abgeordnete Möller.

Der Senat hat die Wettbewerbsvorgaben am Dienstag vorgestellt. Demnach sollen zur Arbeitsfähigkeit des Bundestages 120.000 Quadratmeter an Bürofläche bis zum Jahre 1996 gebaut werden. Zur vollen Funktionsfähigkeit des Bundes werden in einer zweiten Ausbaustufe 185.000 Quadratmeter an Bürofläche gebraucht, die bis zum Jahr 2.000 fertig sein sollen. Der Staatssekretär des Stadtentwicklungssenators, Wolfgang Branoner (CDU), sagte auf Anfrage, die Einschätzung der Bonner mache ihn nicht nervös. Es sei viel zu früh, über Umzugstermine zu reden, ob dies nun acht oder zwölf Jahre dauere. »Ich könnte Ihnen aber auch vorrechnen, daß der Bundestag in sechs Jahren umziehen kann«, sagte Branoner. Eva Schweitzer