Ein Oberbayer dreht durch

■ Neue Serie: „Der Querkopf von Kirchbrunn“, Di., 19.25 Uhr, ZDF

Der Deutsche in seiner Idealversion ist Bayer. Erdverbunden, gradlinig, kernig, gut. Der bayerischen Tradition verpflichtet, setzt er sich für die Besserung der Welt ein. Wenn überhaupt, dann kommt die Revolution aus Oberbayern. Das ZDF hat die Zeichen der Zeit erkannt und eine zwölfteilige Serie um den Kirchbrunner Querkopf Engasser produziert.

Das Antlitz der Revolution muß nicht abschreckend sein. Kirchbrunn ist ein wunderschöner Flecken inmitten friedlicher Natur. Als sich das herzlose Großkapital dieser Idylle bemächtigen will und einen Supermarkt hochziehen läßt, greift Engasser zur Axt und metzelt das Bauschild nieder. Dieser Akt der Bilderstürmerei kann nicht zum Erfolg führen, auch wenn der solidarische Stadtpolizist das Verfahren alsbald niederschlägt. Der Bürgermeister, ein Handlanger des Großkapitals, klärt ihn höhnisch auf: „Wir leben in einer dynamischen Zeit, in der freien Marktwirtschaft.“ Auch der Chefredakteur der Stadtzeitung, eine aalglatte Type, lacht ihm nur frech ins Gesicht. So kommt es schließlich zum Schulterschluß mit der Avantgarde Kirchbrunns in Gestalt des Heimfunkers.

Um die Massen aufzurütteln, gründen die beiden einen Radiosender. Das volksverdummende Volksmusikprogramm wird jäh unterbrochen, als die beiden Heroen die Frequenz übernehmen, die Revolution nimmt ihren Lauf. Engassers Freundin, eine resolute Zahnarzthelferin, wird vom Jungredakteur der feindlichen Zeitung umgarnt, direkt vom Zahnarztstuhl aus. Während er in der herrlichen Natur steht, wie weiland Demosthenes, und seine aufrüttelnde Rede übt, begeht die Frau seines Lebens beinahe Klassenverrat. Im Rathaus stärkt sich derweil die Konterrevolution beim Weißwurstessen und schmiedet dunkle Ränke. Schon sind die Einladungen geschrieben, der Ort fiebert der Eröffnung entgegen, einige mutige Naturschutzgruppen haben ihre Mitarbeit angeboten, da bricht der Abspann brutal ins Geschehen hinein.

Wie soll das alles enden? Wird von Kirchbrunn aus die Welt genesen? Uns stehen noch elf Folgen ins Haus. Wir werden die Sache im Auge behalten, auch wenn wir den Lautstärkenregler bis zum Anschlag hochdrehen mußten, um das bayerische Idiom einigermaßen ins Ohr zu bekommen. Dafür atmeten die Dialoge einen Geist der Beiläufigkeit, so daß wir uns nie überfordert fühlten. Auch die angebotenen Bilder schmeichelten dem auf Entspannung eingestellten Auge; Schnitte und Szenenwechsel nur, wenn sie unbedingt erforderlich waren. Auch junge Eltern können ihren Kindern bei dieser Serie das Abendbrot zwischen die zusammengebissenen Zähne schieben und trotzdem entspannen. Und nostalgisch seufzen, wenn Engasser ausruft: „Ich kämpfe!“ Olga O'Groschen