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Durchgeknallter Verstand

■ betr.: Die Berichterstattung zum Nagorny-Karabach-Konflikt

betr.: Die Berichterstattung zum Nagorny-Karabach-Konflikt

Sie hat sich ja erschreckend entwickelt. Macht das der Stolz über den Sonderkorrespondenten? Schade, ich hielt einmal recht viel von den Artikeln Ömer Erzerens, doch ist er offensichtlich etwas „durchgeknallt“. Selbst wenn die Angaben über das Massaker stimmen (ganz schlüssig scheint mir das alles nicht zu sein, doch im Krieg und in nationalistischen Konflikten gibt es halt keine „gute“ Seite) — selbst wenn die Angaben stimmen sollten, rechtfertigt das keinen Krieg. Seltsamerweise schreibt offenbar nur die taz von einem Massaker, während andere Zeitungen die Angaben der aserbaidschanischen Seite stark anzweifeln. Ich befürchte, daß es Ömer Erzeren ähnlich geht wie vielen deutschen „linken“ Intellektuellen zu Beginn des Ersten Weltkriegs, die plötzlich nur noch begeistert deutsch fühlten und den Verstand über Bord warfen.

Sollte die aserbaidschanische Seite „siegen“, droht den Armeniern in Karabach auf jeden Fall Fürchterliches, wie nicht nur Sumgait gezeigt hat.

Das Interview mit dem Vizevorsitzenden der Volksfront spricht eine recht deutliche Sprache: die aserbaidschanische Seite setzt bewaffnete „Freiwillige“ ein, die armenische „bewaffnete Banden“, die es zu vertreiben gilt.

Nationalismus ist zwar immer idiotisch und beschränkt — doch wo der Haß nun einmal so hohe Wellen schlägt, scheint es mir zunächst keine andere Lösung zu geben, als die Armenier in Karabach durch internationale Hilfe zu schützen, zumal Armenien kaum dem drohenden Ansturm von Türkei und Iran wird standhalten können.

Verdächtig auch, was in der taz alles nicht steht, der Sonderkorrespondent befindet sich halt in Aserbaidschan, nicht in Armenien, das durch den Konflikt auch unter starkem wirtschaftlichen Druck steht, da es Probleme mit dem Nachschub von wichtigen Gütern hat (so muß der Strom in der Hauptstadt Jerewan täglich bis zu 18 Stunden abgestellt werden).

Der Artikel von Erhard Stölting (7.3.) krankte daran, daß er allzusehr um Ausgleich bemüht war. Es geht aber nicht an, nebenbei nur von einem Genozid an den Armeniern zu schreiben, nicht aber das wirkliche Ausmaß zu benennen (etwa 1,5 Millionen grausam ermordete Armenier), das bis heute von nahezu allen türkischen Parteien geleugnet wird. Man stelle sich vor, die Bundesrepublik würde bis heute die Verbrechen des Faschismus abstreiten — was das für Auswirkungen hätte (womit gewiß nicht behauptet werden soll, die bundesrepublikanische „Vergangenheitsbewältigung“ habe Vorbildcharakter)!

Sicherlich wäre es besser, Grundlagen dafür zu schaffen, daß die Idiotie des Nationalismus höchstens in „ungefährlichen Einzelnen“ Fuß fassen kann — das ist aber leider noch weit entfernt und daher reicht es nicht aus, ausgewogen eine Schuld nach links und eine nach rechts zu verteilen, sondern muß schon genauer hingeschaut und eben nicht nur geschaut werden. Jens-Uwe Ries, Westerland

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