PORTRAIT
: Ein „Mondstrahl“ greift nach dem Weißen Haus

■ Mit Zen-Buddhismus und Mutter Teresa versucht sich der Demokrat Jerry Brown in Politik auf „höherer Ebene“

Aus den Vorwahlen im Mittelwesten der USA gingen am Dienstag Präsident George Bush und sein demokratischer Herausforderer Bill Clinton als klare Sieger hervor. Im Bundesstaat Michigan entfielen auf Bush 67 Prozent der Stimmen, auf seinen Rivalen Pat Buchanan 25. In Illinois stand es 76:22 Prozent. Damit ist es Buchanan nicht gelungen, seinen Achtungserfolg von New Hampshire zu wiederholen. Bei den Demokraten kam Clinton in Illinois auf 52 Prozent der Stimmen, sein schärfster Konkurrent, Paul Tsongas, auf 26 Prozent. Der bisherige Außenseiter Jerry Brown landete mit 15 Prozent an dritter Stelle, konnte aber in Michigan mit 27 Prozent den zweiten Platz erobern. Dort erreichte Clinton 49 Prozent und Tsongas lediglich 18 Prozent der Stimmen. ap

Noch vor ein paar Wochen hat ihn keiner so richtig ernst genommen. Er wurde verlacht als ein Außenseiter, der mit seiner bissigen Botschaft gegen das korrupte Washington sowieso keine Schnitte kriegen würde. Nachdem sich die beiden Senatoren Kerrey und Harkin aus dem Rennen um die Nominierung des demokratischen Präsidentschaftskandidaten verabschiedet haben, hat Jerry Brown aber an Bedeutung gewonnen. Vor allem Harkin hat ihm im linken Spektrum der Demokraten Platz gemacht. In Michigan, dem traditionellen Arbeiterstaat, der von der Rezession mit Massenentlassungen in der Autoindustrie besonders gebeutelt ist, hat Brown nun sogar Paul Tsongas abgehängt, der bisher den zweiten Platz hinter Spitzenreiter Bill Clinton fest gebucht hatte.

Brown tritt in diesem Jahr zum dritten Mal im Rennen der Demokraten um die Präsidentschaftskür an. 1976 hat er es erstmals vergeblich versucht; damals zog er sich nach seiner Niederlage gegen Jimmy Carter auf seinen Posten als Gouverneur in Kalifornien zurück. Dort hatte er sich gleich von Anfang an den Spitznamen „Gouverneur Mondstrahl“ eingehandelt. Die Kalifornier meinten, Brown sei wie von einem anderen Stern: der Sohn des langjährigen Landesvaters weigerte sich während seiner eigenen achtjährigen Amtszeit, die Residenz des Gouverneurs zu beziehen, und beschränkte sich statt dessen auf ein 250-Dollar-Apartment mit Matratze auf dem Boden. Einige lobten ihn deshalb als tugendhaft, andere beschimpften ihn als unreif. Als Brown 1982 im Wettstreit um einen Sitz im US-Senat seinem republikanischen Kontrahenten Pete Wilson unterlag, kehrte er der Politik den Rücken zu. Die nächsten sieben Jahre verbrachte er mit Mutter Teresa in Kalkutta und als Student des Zen-Buddhismus in Japan.

Heute sucht er, wie er selbst sagt, „nach einem Weg, Politik und Religion zu vereinigen und meine Politik zu einer höheren Ebene zu erheben“. Er kommt jedoch in Schwierigkeiten zu formulieren, wie das genau aussehen soll. Brown beharrt darauf, daß zunächst das korrupte politische System der USA von allen Interessengruppen und vom großen Geld gereinigt werden muß, erst dann könne man einen detaillierten Plan zum Wiederaufbau entwickeln. Bis dahin preist er vor allem seine 13prozentige Steuer für alle Steuerzahler an als einen Ersatz für das jetzt nach Einkommen gestaffelte System. Um sein Graswurzel- und Anti- Establishment-Konzept glaubhaft verkaufen zu können, weigert sich Brown, mehr als 100 Dollar an Einzelspenden anzunehmen, und versucht, seine Wahlkampfkosten gering zu halten, indem er zum Beispiel statt in Hotels bei Anhängern übernachtet.

Bill Clinton wirft seinem Kontrahenten vor, sich „jedes Jahr neu zu erfinden“. Er erinnert daran, daß Brown noch vor kurzem als Vorsitzender der Demokraten in Kalifornien größte Summen an Spendengeldern eingesammelt und mit denjenigen zusammengearbeitet hat, die er heute vehement ablehnt. Brown argumentiert, gerade weil er selbst lange genug zum Establishment gehört habe, wisse er, wovon er rede. Die Unzufriedenen in Michigan haben ihm immerhin geglaubt. Ob er jetzt wie sein Gegenpart bei den Republikanern, Pat Buchanan, langsam wieder in seine Schranken verwiesen wird oder auf dem Parteitag der Demokraten im Juli ein entscheidendes Wörtchen mitzureden hat, werden die nächsten Vorwahlen zeigen. Martina Sprengel