Drei von vier Stahlkochern arbeitslos

Die ostdeutschen Stahlstandorte bleiben erhalten — mit knapp einem Viertel der ursprünglichen Arbeitsplätze/ Die luxemburgische Arbed investiert 250 Millionen Mark in die Thüringer Maxhütte  ■ Aus Berlin Donata Riedel

Sichere Arbeitsplätze und gesicherte Industriestandorte haben nicht unbedingt etwas miteinander zu tun. Das zeigt sich drastisch in der ostdeutschen Metallindustrie, deren Privatisierung die Treuhandanstalt bis Ende des Jahres abgeschlossen haben will. Wahrscheinlich bleiben alle Stahlstandorte in den neuen Bundesländern erhalten. Dabei kommt es aber zu einem „dramatischen Arbeitsplatzabbau“, wie gestern das zuständige Treuhand-Vorstandsmitglied Hans Krämer in Berlin sagte. 25.000 Menschen werden Ende 1992 noch in der ostdeutschen Metallbranche arbeiten; 115.000 waren es zu DDR- Zeiten, von denen im Dezember noch 57.000 auf den Lohn- und Gehaltslisten standen.

Der drastische Arbeitsplatzabbau hat laut Krämer seine Ursache in den Produktivitätsstandards, die vor allem von Japan, Südkorea, aber auch der westdeutschen Industrie auf dem Weltmarkt vorgegeben seien. Nach diesen Standards braucht man zur Produktion derselben Menge Stahl nur noch jeden vierten der zu DDR- Zeiten Beschäftigten. Und wegen des Zusammenbruchs des Osteuropa-Geschäfts wollen die Neueigentümer aus Italien, Luxemburg und den westlichen Bundesländern nur rund 60Prozent der ursprünglichen Stahlmengen produzieren.

Angesichts der schwierigen Lage auf dem Stahlmarkt ist Hans Krämer froh, überhaupt Investoren gefunden zu haben. Anfangs seien die zuständigen Treuhand-Manager der Meinung gewesen, daß die im Westen vorhandenen Stahl-Produktionskapazitäten ausreichend seien. Das Interesse der westdeutschen Stahlindustrie sei erst erwacht, als ausländische Konzerne Kaufinteresse anmeldeten, erzählte Krämer. Von Erfolg belohnt sei auch das Engagement vor Ort gewesen; besonders im Fall Riesa. Belegschaft, Management und Aufsichtsrat hätten es innerhalb „erstaunlich kurzer Zeit“ geschafft, das „total veraltete“ Stahlwerk so umzubauen, daß dort jetzt immerhin ein Mini-Stahlwerk, ein Röhrenwerk und eine neue Hafen- und Verkehrsgesellschaft einige Arbeitsplätze sichern.

Auch für die Maxhütte in Unterwellenborn (Kreis Saalfeld) hat die Treuhand — ebenfalls wider Erwarten — einen Investor gefunden. Der luxemburgische Stahlkonzern Arbed, einer von vier Interessenten, bekam am Dienstag vom Treuhand- Verwaltungsrat den Zuschlag und will dort „auf dem platten Land in Thüringen“ (Krämer) etwa 250 Millionen Mark investieren.

Arbed will zunächst nur etwa 600 der noch 2.600 Beschäftigten übernehmen; später, wenn das neue „integrierte Stahlwerk“ mit Schrottaufarbeitung und Kundenzentrum steht, sollen 800 neue Arbeitsplätze entstehen. Etwa 300 ArbeitnehmerInnen sollen für zwei bis drei Jahre im Restbetrieb der Maxhütte Unterwellenborn GmbH weiterbeschäftigt werden. Die überalteten technologischen Vorstufen werden von der Treuhand bis August stillgelegt.

Der Verkauf des Stahlbereichs ist insgesamt für die Treuhand ein Minusgeschäft. Den Erlösen von 660 Millionen Mark stehen nach Schätzungen von Branchenexperten wahrscheinlich vier bis fünf Milliarden Mark Vorleistungen der Treuhand gegenüber. Geld, das ebenso wie die drei Milliarden Mark für die Werften letztlich aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden muß.