Satte Mehrheit für eine neue Ordnung am Kap

■ Eine überwältigende Zweidrittelmehrheit der weißen Südafrikaner hat ihrem Präsidenten mit einem klaren Votum das Vertrauen ausgesprochen. Sogar in ultrakonservativen Hochburgen sprachen...

Satte Mehrheit für eine neue Ordnung am Kap Eine überwältigende Zweidrittelmehrheit der weißen Südafrikaner hat ihrem Präsidenten mit einem klaren Votum das Vertrauen ausgesprochen. Sogar in ultrakonservativen Hochburgen sprachen sich die Weißen mehrheitlich für die Fortsetzung seiner Reform- politik aus. Mit der Verkündung des Ergebnisses am Mittwoch schloß de Klerk das letzte Kapitel im „Buch der Apartheid“.

Ein Erdrutsch-Sieg für den Reformprozeß, eine Demütigung für die ewiggestrigen Apartheid-Befürworter: 68 Prozent der weißen Wähler entschieden sich in Südafrikas Volksabstimmung für Verhandlungen mit der schwarzen Mehrheit, um eine demokratische Verfassung zu formulieren. Damit ist der Reformprozeß, den Frederik W. de Klerk im Februar 1990 begann, nicht mehr aufzuhalten. Die ultrarechte Konservative Partei (CP), die seit Jahren behauptet, die Mehrheit der Weißen zu repräsentieren, ist mit dem Ergebnis vom Dienstag in die politische Wüste geschickt worden.

„Heute haben wir das Buch der Apartheid endlich geschlossen“, sagte Präsident de Klerk am Mittwoch in Kapstadt in einer Ansprache an die Nation. „Heute ist der wirkliche Geburtstag des neuen Südafrika.“ Damit legte de Klerk die Geburt des „neuen Südafrika“ auf den Tag seines eigenen, 56., Geburtstages. De Klerk nannte den Sieg einen „Erdrutsch im Interesse von Frieden und Gerechtigkeit in Südfrika“. Das Resultat sei eine „mächtige Botschaft der Versöhnung“ an die schwarze Bevölkerung.

ANC-Präsident Nelson Mandela sagte am Mittwoch, das Referendum habe alle Dilemmata entfernt, die die Arbeit der Nationalen Partei (NP) behindert hätten. Der ANC hofft deshalb, daß die nächste Etappe im Reformprozeß — die Bildung einer Interimsregierung, in der alle Parteien vertreten sind — schnell erzielt wird. „Wir hoffen, daß die NP jetzt aufhören wird, sich als Führer einer einzigen ethnischen Gruppe zu verstehen“, sagte Mandela. Der ANC begrüßte das Ergebnis der Abstimmung, betonte jedoch, daß die Organisation rassistische Wahlen grundsätzlich verurteile. Es sei geradezu ironisch, daß über die Demokratisierung des Landes auf undemokratische Weise abgestimmt worden sei: „Die Zukunft unseres Landes ist keine Angelegenheit ,Nur für Weiße‘. Dies muß das absolut letzte Mal sein, daß Südafrika die Demütigung eines rassistischen Referendums erduldet.“

Eine Niederlage war das Referendum auch für die „Wahlexperten“. Niemand hatte eine derart hohe Zustimmung erwartet. Die Optimisten hatten auf 60 Prozent „Ja“-Stimmen gehofft. Ausschlaggebend für den hohen „Ja“-Sieg war die sehr hohe Wahlbeteiligung. Mehr als 85 Prozent machten ihre Kreuzchen — die größte Wahlbeteiligung, die es in Südafrika je gegeben hat.

Weniger Zweifel am Reformwillen der Weißen

Nicht einmal die Prognosen, nach denen die konservative CP in ländlichen Gebieten einen Sieg erzielen würde, bestätigten sich. Sogar in der Provinz Oranje-Freistaat, in der die CP als stärkste Partei gehandelt wurde, bekam de Klerk über 50 Prozent der Stimmen. Auch in der Karoo-Halbwüste, der kleinsten der 15 Wahlregionen des Landes, waren die Reformbefürworter überraschend in der Mehrheit. Nur in einer Region, dem Norden der Provinz Transvaal, erzielten die „Nein“-Stimmen mit 58 Prozent eine Mehrheit. Dies war schon immer die stärkste CP-Region.

CP-Führer Andries Treurnicht gab schon am Mittwoch nachmittag die Niederlage seiner Partei zu. Er machte eine „Medienkampagne, ausländische Einmischung und Erpressung“ für die Niederlage verantwortlich. Die Möglichkeit des gewaltsamen Widerstandes gegen die Reformen schloß er jedoch aus. Auch eine Spaltung seiner Partei hielt er für unwahrscheinlich. Aber ein Treffen der CP-Fraktion im Parlament am Donnerstag wird mit Spannung erwartet. Es gibt eine starke Gruppe in der Partei, die sich gegen den Willen der Parteiführung an Verhandlungen beteiligen will. Trotz des überwältigenden „Ja“-Sieges stimmten immerhin noch fast 900.000 Weiße gegen den Reformprozeß. Darin sehen die Rechtextremisten noch immer ein erhebliches Unterstüzterpotential für ihre Träume eines exclusiv weißen Staates.

Nach dem Referendum ist eine Neuordnung der Parteienlandschaft in Südafrika zu erwarten. Nach ihrer erfolgreichen Zusammenarbeit werden De Klerks Nationale Partei und ihre langjähriger Gegnerin, die liberale Demokratische Partei (DP) wohl auch in Zukunft mehr miteinander zu tun haben. Auch auf die schwarze und farbige Bevölkerung wird die überwältigende Befürwortung der Reformen durch die Weißen wichtige Auswirkungen haben. Viele Schwarze werden wohl künftig weniger Zweifel an der Reformwilligkeit der Weißen haben. Das könnte zusätzliche Unterstützung für gemäßigte Parteien wie DP und NP unter Schwarzen zur Folge haben.

Die eindeutige Zustimmung zu Verhandlungen wird den Reformprozeß zweifellos beschleunigen. Sowohl de Klerk als auch der ANC wollen schnell eine neue Verfassung zustande bringen. Mit dem ersten Schritt, der Gründung einer Interimsregierung, ist schon in wenigen Monaten zu rechnen.

Auch am Tag nach dem Referendum dauerte die politische Gewalt in den schwarzen Wohngebieten an. Am Referendumstag selbst kamen 14 Menschen ums Leben. Die große Mehrheit der Schwarzen jedoch nahm das Ergebnis mit Erleichterung auf. Hans Brandt, Johannesburg