Auf die Emigration vorbereitet

■ Zur Ausstellungseröffnung im Wilmersdorfer Museum über fünf jüdische Schulen in der NS-Zeit kamen ehemalige Schüler aus der ganzen Welt

Wilmersdorf. Es ist ein großes Klassentreffen. Etwa achtzig alte Menschen wandern durch die Ausstellungsräume im Wilmersdorfer Museum, lachen, wenn sie sich auf Fotos wiedererkennen, fotografieren sich gegenseitig und stecken die Köpfe zusammen, um Erinnerungen auszutauschen — Erinnerungen an Abwesende, die keiner von ihnen vergessen hat. Das unterscheidet dieses Klassentreffen von anderen: Abwesende können zufrieden und glücklich in einem fremden Land leben. Sie können auch vor fünfzig Jahren in Auschwitz ermordet worden sein.

Vier Monate nachdem die Nazis an die Macht kamen, am 25. 4. 1933, verabschiedete der Reichskanzler ein »Gesetz gegen die Überfüllung an deutschen Schulen«. Danach durften Juden nur noch einen Prozentsatz von 1,5 an öffentlichen Schulen und Hochschulen ausmachen. Es zeichnete sich schnell ab, daß jüdische Schüler nur auf jüdischen Schulen die Möglichkeit haben würden, eine höhere Schulbildung zu erlangen.

1938 gab es allein in Wilmersdorf neun private jüdische Schulen. Fünf dieser Schulen, die alle von Frauen geleitet wurden, dokumentiert seit Mittwoch das Wilmersdorfer Museum in einer Ausstellung.

Nicht nur die Quotierung führte dazu, daß jüdische Eltern ihre Kinder von den öffentlichen Schulen abmeldeten. In einem Brief an einen Lehrer der Grunewaldschule beschwert sich ein Vater, daß sich die »Nichtarier« nach einem Schulausflug melden mußten und nach Hause geschickt wurden, während sich die »Arier« zu einer Sportveranstaltung begaben.

Englisches Abitur vor der Auswanderung

Die feindselige Umwelt und die boshaften Diskriminierungen in den öffentlichen Schulen ließ viele Schüler die jüdische Schule als »Insel in einem Meer der Feindseligkeit« empfinden. »Auf meinem langen Schulweg fühlte ich mich immer so verwundbar und ausgesetzt, und ich hoffte, meine innere Angst möge sich nicht auf meinem Gesicht zeigen. Aber sobald ich ‘meine‚ Schule erreicht hatte, war die Welt wieder in Ordnung. Ich war in Sicherheit«, beschreibt eine ehemalige Schülerin der Kaliski-Schule ihren Alltag.

Vera Lachmann, Leonore Goldschmidt, Lotte Kaliski, Toni Lessler und Anna Pelteson erkannten schnell, daß sie ihre Schüler vor allem auf die Auswanderung vorbereiten mußten. Fremdsprachenunterricht und Zusammenarbeit mit ausländischen Schulen sollten den Schülern das Leben in der Emigration erleichtern. Leonore Goldschmidt erkämpfte sich die Erlaubnis, die Examen der englischen Universität Cambridge an ihrer Schule abnehmen zu können. Sie engagierte englische Lehrer, die englische Geschichte, Geographie und Religion auf englisch unterrichteten.

1938/39 wurden die meisten jüdischen Schulen geschlossen, und die Schulleiterinnen konnten nichts weiter tun, als zu versuchen, so vielen Schülern wie möglich die Auswanderung zu ermöglichen. Und so sind die anwesenden Ehemaligen aus allen Teilen der Welt angereist: Amerika, England, Türkei... ana