Prestige-Gründe

■ Wissenschaftler bezweifeln den Nutzen der bemannten Raumfahrt — Politiker halten besonders eifrig an ihr fest

Nun können auch die Westdeutschen richtig stolz sein. Endlich haben auch sie ihren Mann an Bord einer russischen Rakete — auf dem Weg zur Weltraumstation „Mir“, zu deutsch: Frieden. Dieses Unternehmen mag ein Triumph der Technik sein, doch ob es auch ein Triumph der Vernunft ist, ist eine ganz andere Frage. Denn die Zweifel am wissenschaftlichen Wert der bemannten Raumfahrt sind in letzter Zeit immer stärker geworden.

Erst in der vergangenen Woche haben mehrere hundert deutsche Forscher — darunter Nobelpreisträger und viele Professoren — in einem offenen Brief an Minister Riesenhuber festgestellt, daß die wissenschaftlichen Ergebnisse der bemannten Raumfahrt „in keinem Verhältnis“ zu den Kosten stehen. Und die Deutsche Physikalische Gesellschaft, die es ja nun wirklich wissen muß, kommt zu dem Schluß: „Ein wissenschaftlicher und ökonomischer Nutzen, der die hohen Kosten der bemannten Raumfahrt rechtfertigen würde, ist bisher nicht auszumachen.“

Was auf der Erde zu nutzen ist, kann auch — viel billiger — durch unbemannte Satelliten im Weltraum erforscht werden. In der Tat: Die Kostenexplosion in der bemannten Raumfahrt ist gigantisch. Allein 30 Milliarden Mark wird das europäische Raumfahrtprogramm bis zum Jahr 2000 verschlingen. Gelder, die dringend für die Grundlagenforschung oder etwa die Erforschung alternativer Energiequellen benötigt werden.

Das dürftige wissenschaftliche Mäntelchen, mit dem die bemannte Raumfahrt umgeben wird, kann den — wie es ein deutscher Weltraumwissenschaftler formulierte — „Höllenaufwand an Geld“ keineswegs rechtfertigen. Doch wenn — mit einigen Ausnahmen — weder die Wissenschaft noch die Wirtschaft noch die Militärs ein ernsthaftes Interesse an der bemannten Raumfahrt haben — warum hält man dennoch an ihr fest?

Die Antwort ist einfach: Weil es einige Politiker wollen. Aus Prestige-Gründen. Doch spätestens angesichts der verheerenden wirtschaftlichen Situation in den neuen Bundesländern sollten auch Herr Kohl und Herr Genscher — beide besonders eifrige Anhänger der bemannten Raumfahrt — begreifen, daß es sinnvoller ist, die Milliarden auf der Erde einzusetzen als — aus Prestige- Gründen — im Weltraum zu verpulvern.

Auch ohne einen Mann auf dem Mond sind wir wer. Klaus Bednarz

Der Kommentar ist in den tagesthemen vom 17. März 1992 gesendet worden. Der Autor arbeitet beim Westdeutschen Rundfunk.