„Verschicke nur geeignetes Mädchenmaterial“

■ Die Bremerin Hedwig Heyl arbeitete im Deutsch-Kolonialen Frauenbund für die „Deutschwerdung“ Südwestafrikas

Gegen „Verkafferung“ und „Mischehen“ in der deutschen Kolonie Südwest-Afrika: Hedwif Heyl

Als der Bremer Kaufmann Franz Adolf Lüderitz im Jahre 1883 in Südwestafrika Land „kaufte“ und dieses Land ein Jahr später unter die Herrschaft des Deuschen Kaiserreiches stellte, war der Grundstein zu einer über hundertjährigen Fremdherrschaft über die dort lebenden Afrikaner gelegt. Erst vor zwei Jahren, am 21.3.1990, wurde Namibia unabhängig. An dem Versuch, aus dem Land eine deutsche Kolonie zu machen, war die Bremerin Hedwig Heyl maßgeblich beteiligt.

„In der Erkenntnis, daß die deutsche Frau berufen sei, an der inneren Deutschwerdung unseres Hauptsiedlungslandes Südwestafrika“ mitzuarbeiten, wird 1907 in Berlin der „Deutsch-Koloniale Frauenbund“ gegründet. Von Anfang an führend dabei: Die Bremenin Hedwig Heyl, geborene Crüsemann, Tochter des ersten Direktors des Norddeutschen Lloyd und Witwe des 1889 verstorbenen Chemiefabrikanten Georg Heyl. Auf ihren Vorschlag hin schließt sich der Frauenbund im Juni 1908 auf der Bremer Tagung der Deutschen Kolonialgesellschaft dieser wichtigsten kolonialpolitischen Organisation des Deutschen Großbürgerums an. Zwei Jahre später, 1910, übernimmt die 60jährige Heyl für ein Jahrzehnt den Vorsitz.

„Die deutsche Frau soll an der Deutschwerdung der Kolonie mitarbeiten“

Ihr Hauptarbeitsgebiet ist die Frauenbewegung, ihr Hauptanliegen, aus unmündigen Frauen würdige Gesellschaftsmitglieder im kaiserlichen Deutschland zu machen. Sie will die Lage und die Bildung der Frauen heben, tritt für weibliche Erwerbsarbeit ein und gleichzeitig für ihre Überzeugung, daß die Familie die wichtigste Aufgabe des weiblichen Berufslebens bleiben müsse. Mit einem Kreis liberaler Frauen hat sie über ein Dutzend Wohlfahrtseinrichtungen, Frauenbildungs- und

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von der Frau aus dem letzten

Jahrhundert

Ausbildungsvereine gegründet, überwiegend zur Professionalisierung hausfraulicher Tätigkeiten. Ihre Koch- und Lehrbücher für Hauswirtschaft sind Standardwerke. Auch Arbeiterfrauen bleiben von ihr nicht verschont, nachdem sie zu ihrem Entsetzen feststellen mußte, daß „Arbeiterfrauen ihren Haushalt vernachlässigen“.

Dies alles hat ihr den Ruf eingebracht, „Deutschland führende Frauenrechtlerin“ und „erste Hausfrau“ zu sein. Unter ihrer Leitung und dank ihres außergewöhnlichen Organisationstalentes geht es mit dem Kolonialen Frauenbund zügig voran. Sie holt drei Herren aus der Deutschen Kolonialgesellschaft in den Vorstand. Das sichert die Finanzierung und die Beziehungen zu amtlichen Stellen. In kurzer Zeit entstehen 120 Zweigvereine. In Bremen werden die Damen von Engelbrechten, Lohmann, Achelis und Vietor aktiv; 294 Mitglieder hat die Abteilung 1914, reichsweit sind es um diese Zeit fast 19.000, bei Heyls Amtsübernahmem waren es gerade 4.000.

„Noch immer gibt es weiße Männer, die sich mit faulen, verschlagenen, schwarzen Weibern einlassen“

Die Ziele des Kolonialen Frauenbundes bestehen unter anderem darin, die weitere „Verkafferung“ der deutschen Kolonialelite zu verhindern. „Mischehen“ sind seit der Niederschlagung des Hereoaufstandes 1904 verboten. 1907 hat man sogar die bestehenden für ungültig erklärt. Doch gibt es immer noch weiße Männer, die laut „Kolonie und Heimat“, dem Bundesorgan des Vereins, kein „Rassebewußtsein“ haben, die sich mit den „häßlichen, faulen, verschlagenen, koketten, dummen, schwarzen Weibern“ einlassen.

Hedwig Heyl bezeichnet es deshalb als ihre wichtigste Aufgabe, „Frauen für die Kolonisten auszusuchen, Siedlungen durch Ehen zu befestigen und überhaupt geeignetes Mädchenmaterial zu

verschicken.“ Die meisten Frauen gehen zunächst einmal „in Stellung“, bringen für diese Arbeit die Heylschen Maßstäbe mit und beziehen aus ihrem Wissen, wie „richtig“ zu wischen und zu waschen sei, ein Gutteil ihres Überlegenheitsgefühls gegenüber den eingeborenen Frauen. Die Qualität des „Mädchenmaterials“ wird von Heyl garantiert. Es geht „kein Mädchen heraus, das sittlich nicht einwandfrei oder wirtschaftlich untüchtig ist.“

„Wenn der Schutztruppenreiter abdrückt...

Die überfahrt 3.Klasse nach „Deutschsüdwest“ bezahlt der Frauenbund. Drüben werden zur Betreuung der Frauen eine ganze Reihe von Einrichtungen geschaffen, in Lüderitz beispielsweise eine Station „für durchreisende Mädchen“, in Keetmanshoop das „Heimathaus“, das darüber hinaus ein wichtiger Stützpunkt für die Verbreitung „deutscher Art und deutscher Sitte“ wird. Im August 1914 muß der Koloniale Frauenbund diese Arbeit abbrechen.

Gleich bei Kriegsbeginn 1914 rufen Hedwig Heyl und Gertrud Bäumer gemeinsam zum „Nationalen Frauendienst“ auf und erklären sich bereit, „ihre Kräfte für einen Verteidigungskampf bis aufs äußerste einzusetzen.“ Heyl arbeitet eng mit dem Kriegsernährungamt zusammen, ihr „wohlfeiles Kochbuch“ wird kostenlos verteilt. Und 1916 — die Ernährungslage ist schon prekär — nimmt Hedwig Heyl als „Hindenburg der Küche“ die Berliner Kriegs- und Volksspeisung in die Hand.

Für die notleidenden Kolonialdeutschen hat sie besondere Mittagstische eingerichtet, und der Koloniale Frauenbund hat sich mit einem öffentlichen Protest an England und Frankreich gewandt und ihre „menschenunwürdige Behandlung in unseren Kolonien“ angeprangert.

Von einer Monarchistin zur Republikanerin zur Nationalsozialistin

„Die Unterdrückung des Deutschtums“, heißt es in dieser Resolution, „stellt ein Verbrechen an der gesamten weißen Rasse dar, deren Vorherrschaft in den von primitiven farbigen Naturvölkern bewohnten überseeischen Gebieten das ist, was im Bereich der europäischen Kulturstaaten Zivilisation und Kultur bedeuten.“

Nach dem Krieg und der Revolution wird aus der Monarchistin Heyl eine „Republikanerin der Vernunft“. Für die Deutsche Volkspartei, die Partei Stresemanns, zieht sie in die Charlottenburger Stadtverordnetenversammlung ein. Den Vorsitz des Kolonialen Frauenbundes gibt sie 1920 an Hedwig von Bredow ab. Sie wird Ehrenvorsitzende und weiterhin gefragt, wenn es um die große Linie der Politik des Frauenbundes geht. Sie unterzeichnet Proteste gegen den „Raub der Kolonien“, unterstützt den Kampf gegen die „Koloniale Schuldlüge“, propagiert ihre Überzeugung vom „endlichen Sieg des deutschen Wesens“ und ermutigt den Frauenbund zu einer neuen Strategie: „Wenn Deutschland auch sein Landbesitz streitig gemacnt werden konnte“, so könne es sich doch umstellen und die „Arbeit am Menschen“ verstärken. „Meine Damen, wo Deut

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den Reiter

sche im Ausland sind, da wird kolonisiert.“

Im Mai 1930 wird Hedwig Heyl achtzig Jahre alt. Sie will keine Geschenke, stattdessen bittet der Koloniale Frauenbund um eine „Hedwig-Heyl-Spende“. In Südwestafrika soll eine weitere Haushaltsschule gegründet werden. Bei zunehmender Mitgliederzahl sind diese Sammlungen zunehmend erfolgreich. Die Bilanz der 20er Jahre kann sich sehen lassen. Mit dem Geld sind „drüben“ vor allem Kindergärten, Jugendheime und Schulen gebaut worden, und die Kinder werden so erzogen, daß sie — wie Heyl es formuliert — „unlösbar in ihrem Deutschtum verwurzelt und gegen fremde Einflüsse gefestigt sind“: Kinder, denen man sagt, daß sie „die wirklichen Südwestafrikaner“ seien und in deren Lesebüchern Sätze stehen wie dieser: „Wenn der Schutztruppenreiter, dessen bronzenes Denkmal das Land bewacht, den Hahn seiner Flinte abdrückt, so wird diese das Signal sein für die Gefallenen von Südwest, aus den Gräbern aufzustehen und mit Waffengewalt das geraubte Land

... werden die Gefallenen aus den Gräbern auferstehen...“

zurückzuerobern.“

1931 schwenkt die Deutsche Kolonialgesellschaft auf die Politik der Natinalsozialisten um; der Frauenbund zieht mit, Hedwig Heyl voller Begeisterung: „Möge uns die Zeit für Hitler reif werden“, schreibt sie im April 1932 an ihren jungen Freund, den Münchner Maler Eugen Vinnai, nachdem Hindenburg, nicht Hitler zum Reichspräsidenten gewählt worden ist. „Dann könnte man für die Zukunft Gutes erhoffen.“

Im März hat Heyl auf Einladung des Norddeutschen Lloyd ihre Heimatstadt Bremen besucht. Der Bürgermeister empfängt sie, sie spricht mit Wirtschaftsführern und wird vom Frauenstadtbund für ihre Verdienste um die Frauenbewegung geehrt. Der Hausfrauenverein, deren Ehrenvorsitzende sie ist, überreicht Blumen, der Koloniale Frauenbund einen Kaktus: „In Dankbarkeit übersandt aus Südwest.“ Die liberale Politikerin Guste Schepp-Merkel, die den Frauenstadtbund leitet, „zeichnete sie in ihrer Begrüßungsrede allen Frauen zum Vorbild.“ (Weser-Zeitung, 25.3.1932)

Die Bremer Nachrichten, kommentieren: „Bremen darf mit Recht stolz sein auf diese Repräsentantin des vergangenen Jahrhunderts, die zukunftsweisend auch unserer Generation noch Führerin ist.“

Am 30. Januar 1933 beruft Hindenburg Hitler zum Reichskanzler: „einen wirklich edlen Mann. Ich fühle ordentlich Ihre Erschütterung durch das herzbewegende Sichnahefühlen mit dem Führer“. schreibt sie an Vinnai. „Das ist die innere Verwandtschaft mit seinem Wollen und Zielen.“

„Denn die Frage der Zukunft ist: Weiß oder schwarz.“

Ausdrücklich begrüßt Hedwig Heyl nach einem Vortrag des Reichsbankpräsidenten Schacht, daß dieser „in ganz scharfen Worten die „Judenfrage“ behandelt hat.“

Ausdrücklich begrüßt sie das „zunehmende Bestreben, heute den Wert mehr auf die Rasse seines eigenen Volkes zu legen und die Verbindungen nach völkischen Gesetzen zu verwirklichen.“ Rein sein und stark werden. „Denn die Frage der Zukunft ist: Weiß oder schwarz.“

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Dabei ist eine grundlegende Umstellung der Arbeit des Kolonialen Frauenbundes nicht erforderlich gewesen.“ In ihrem ersten Jahresbericht nach dem „Umbruch“ unterstreichen die Frauen diese Kontinuität. „... wir haben aber ein viel größeres Verständnis dafür gefunden, Und das verdanken wir einzig unserem Führer Adolf Hitler, der unserem Volk die Augen geöffnet hat über den Begriff der Volksgemeinschaft, die alle bewußt deutschen Menschen umfaßt, auch unsere Landsleute jenseits des deutschen Reiches.“

Für diese Volksgemeinschaft ist Hedwig Heyl bis zuletzt rastlos tätig gewesen, bis sie am 23. Januar 1934 „mitten aus der Fülle ihres Schaffens herausgerissen“ wird. „Bremen wird mit Deutschland seiner Tochter in Treue gedenken“, heißt es im Nachruf der Weser-Zeitung,

Ihre Bewunderer möchten hier eine Straße nach ihr benennen. Doch das wird erst viel später geschehen, durch einen Beschluß des Senats im Jahre 1957.

Doris Kachulle