piwik no script img

Wilde Theorien und Verdächtigungen

Gleich nach Erscheinen der Pressemeldungen über die Verhaftung der beiden muß Lothar Probst an Schreibmaschine (PC, Laptop) gesetzt haben, um seine ersten Gedanken in Form eines Gastkommentares niederzulegen.

Sein besonderer Verdienst ist die Entdeckung einer neuen Gruppe von Stasi-Verdächtigen, zur abwechslung mal aus dem Westen. Wer zum Ärger der GRÜNEN in der Friedensbewegung gegen undifferenzierte Supermachttheorien war und nicht alle begeistert zu Hauptrednern auf Massenkundgebungen machte, die von grün oder autonom als DDR-Friedensbewegte präsentiert wurden, ist verdächtig. Unverdächtig sind dann eigentlich nur noch die DKP-Leute, weil alle anderen entweder als Einfluß-Agenten oder als agents provocateurs in Betracht kommen.

Natürlich ist es — so bitter auch die Ergebnisse sein mögen — nötig, die Stasi-Verstrickungen in die sozialen Bewegungen des Westens aufzuklären. Was aber soll es, irgendwelche wilden Theorien und Verdächtigungen loszulassen? Ist nicht wichtiger, dafür einzutreten, daß auch denen gegenüber journalistische Anstandpflichten gelten, die uns möglicherweise verletzt haben? Wie rechtfertigt die taz die volle Namensnennung der beiden Bremer Stasi- Verdächtigen? Ist die Neugier der Szene wichtiger als Unschuldsvermutung und persönlichkeitsrechte von Betroffenen? Gilt für jene nicht, was die Strafrecht- und Knast gegenüber eher reserviert stehende taz jedem einer „normalen“ Straftat Beschuldigten zubilligt: seinen Namen nicht einer sensationslüsternen Öffentlichkeit zur gefälligen Bedienung zu präsentieren?

P. S. Meine Stasi-Akte will ich auch gerne einsehen. Aber erstmal habe ich beim hiesigen Amt um Einsicht in die „Extremisten-Kartei“ gebeten. Da sind die Wartezeiten hoffentlich nicht so lang.

Adolf Claussen, Bassum

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen