"Permanenter Bruch geltenden Völkerrechts"

■ Bundesratsminister Trittin sucht Bündnispartner für die Ablehnung des neuen Asylverfahrensgesetzes

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von dem Mann mit Nickelbrille

Niedersachsens grüner Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Jürgen Trittin, war gestern in Bremen, um auf einer Anhörung der Grünen für die Ablehnung des neuen Asylverfahrensgesetzes zu werben (vgl. S. 30). Der Entwurf war im Februar von CDU, CSU, FDP und SPD in den Bundestag eingebracht, im SPD-Parteipräsidium anschließend von Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder jedoch heftig kritisiert worden. Damit stand Schröder jedoch alleine da. Sein Bremer Kollege, Klaus Wedemeier, zum Beispiel opponierte nicht gegen die einschneidende Verschärfung der Rechte von Asylbewerbern. Erst in dieser Woche war der Gesetzentwurf bei einer Expertenanhörung im Bundestag schwer zerrissen worden. Er verstoße in wesentlichen Punkten gegen das Völkerrecht und sei damit sowieso verfassungswidrig.

taz: Niedersachsen ist bisher das einzige Bundesland, das sich klar gegen den Entwurf eines neuen Asylverfahrensgesetzes ausgesprochen hat. Haben Sie Hoffnung, noch einen Bündnispartner zu finden?

Jürgen Trittin: Ich laufe ja zur Zeit rum und versuche heute als erstes bei den Bremern, dann auch bei den Hessen Bündnispartner für eine Ablehnung im Bundesrat zu finden. Ich glaube, daß wir dafür gute Argumente haben.

Niedersachsen, Bremen und Hessen haben allerdings keine Mehrheit im Bundesrat...

Brandenburg muß man noch dazurechnen. Und das Interessante ist ja zur Zeit, daß eine massive Auseinandersetzung innerhalb der Sozialdemokratie stattfindet. Die kommen immer mehr an eine Zerreißprobe zwischen dem Bekenntnis, das Asylrecht schützen zu wollen und dem Opportunismus gegenüber dem gesunden Volksempfinden. Und diese Zerrissenheit möchte ich ihnen nicht unnötig leicht machen.

Ich bin nicht optimistisch, aber den Versuch, eine Ablehnung zu erreichen, sollten wir unternehmen. Eine Verzögerung hat es schon gegeben. Eigentlich sollte der Gesetzentwurf schon im Dezember in den Bundesrat kommen, dort ist er bis heute nicht.

Aber daß Niedersachsens Ministerpräsident Schröder sich durch Überzeugungsarbeit mit seiner Ablehnung des neuen Asylrechts innerhalb der SPD noch eine Mehrheit verschaffen kann, daran glauben Sie auch nicht?

Ich halte viel von Überzeugung, aber tatsächlich bewegt sich so etwas immer auf der Ebene, welchen politischen Preis jemand zahlen muß, um eine Position einzunehmen. Das heißt, den öffentlichen Druck auch auf die SPD zu erzeugen, diesen Versuch lohnt es zu unternehmen.

Auch im Bremer Koalitionsvertrag ist ja die Enthaltung im Bundesrat festgelegt, wenn sich die Koalitionspartner nicht einigen können. Das käme einer Ablehnung gleich, da das Gesetz die Zustimmung des Bundesrates erfordert. Die Bremer Grünen könnten also einfach ohne große Diskussion sagen: Mit uns nicht. Aber das würde ich ihnen nicht raten, denn man sollte in Koalitionen etwas geschickter miteinander umgehen.

Und wann kommt Niedersachsen mit einem eigenen Gesetzentwurf?

Einen eigenen Gesetzentwurf werden wir nicht machen. Aber wir werden zum einen hinsichtlich des Rechtsschutzes von Flüchtlingen Anträge stellen und zum zweiten prüfen, wie man einen Status schaffen kann für Bürgerkriegsflüchtlinge. Wir wollen eine Beschleunigung der Asylverfahren dadurch erreichen, daß Menschen aus dem Asylverfahren herausgenommen werden, die da gar nicht hineingehören.

Also ein Aufenthaltsrecht zum Beispiel für Jugoslawen und Libanesen?

Ja. Und es muß auch die Genfer Flüchtlingskonvention in Deutschland als Gesetz voll wiederhergestellt werden. Wir leisten uns ja einen permanenten Bruch geltenden Völkerrechts, indem wir Konventionsflüchtlinge die damit verbundenen Möglichkeiten wie Freizügigkeit und Recht auf Arbeit vorenthalten.

Niedersachsen auch.

Ja, das ist ein Bundesgesetz. Aber eine Einzelperson könnte dagegen klagen. Dem würde ich mit großer Freude entgegensehen.

Und so, wie das neue Asylverfahrensgesetz bisher mit einer Reihe verfassungswidriger Merkmale vorliegt, würde man als Land sehr sorgfältig zu prüfen haben, ob man dagegen nicht den Weg der Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht geht. Fragen: Dirk Asendorpf