Für das Beste am Mann

■ Die Liebe zum Dessous kennt auch bei Männern keine Grenzen: Tangas, Bodies, Seide und Feinripp haben die unsäglichen Bollerbuxen schon seit langem verdrängt...

Die Liebe zum Dessous kennt auch bei Männern keine Grenzen: Tangas, Bodies, Seide und Feinripp haben die unsäglichen Bollerbuxen schon seit langem verdrängt. MICHAELA SCHIESSL hat sich einige von ihnen vorführen lassen.

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as maskuline Geschlechtsteil gehört zweifelsfrei zu den Lieblingsthemen seiner Besitzer. Doch so intensiv sich die Männer mit ihrem Anhängsel beschäftigen, so verkümmert ist meist dessen Umhüllung — im Zeitalter der Verpackungskunst wird an die Präsentation des Allerheiligsten kein Gedanke verschwendet. Voll ausgelastet mit der textilgewordenen Sorge, man könne sich die Blase erkälten, erhört kaum ein Männerohr die Seufzer der Gespielin, die — längst ausstaffiert mit reizenden Rüschenslips und eleganten Seidenhemdchen — dem männlichen Elend des Untendrunter ausgeliefert ist. Ausgebeulte Bollerbuxen, Feinrippsäcke bis unter die Arme und abgegrabbelte Hosentüren sind der Härtetest für den erotischen Blick.

Doch die Zeichen der Zeit lassen hoffen: Ein neues, modernes Männerbild korrespondiert angenehm mit der abnehmenden Leidensbereitschaft der Frauen. Der neue Wind hinterläßt seine Spuren auch in der Bux. Plötzlich ist selbst bei hartgesottenen Protagonisten unsäglicher Modelle eine gewisse Scham auszumachen, wenn es darum geht, das Zuunterste ans Licht des Tages zu fördern. Spöttisch heruntergezogene Mundwinkel der Gespielin untergraben schnell die Liebe zum Altbewährten, in hartnäckigen Fällen hilft angewidertes Entsorgen des Lumpens mit spitzen Fingern. Doch selbst solche Schmach endet nicht zwangsläufig in der Wäscheabteilung eines Kaufhauses.

Norbert T. aus H. enthüllt die weitverbreitete Technik des Vertuschens: „Mann hake beide Daumen gleichzeitig in Jeans- und Hosenbund und ziehe beide integriert als Ensemble nach unten.“ Vorgetragen mit einem wollüstigen Blick, läßt sich dieses Manöver eindrucksvoll als kaum zu zügelnde Begierde tarnen.

Berliner sollen untenrum aufgepeppt werden

Diese raffinierte Methode taugt allerdings nur für den klassischen One- Night-Stand. Bei länger anhaltenden Bindungen ist der Blick auf den Schritt auf Dauer unumgänglich. Für feste Paare gilt: die elegante Unterhose wird um so wichtiger, je länger die Beziehung anhält. Eine Theorie, die Marc Sonnino und Kai Köhler, von der Berliner Männer-Dessousboutique „Marc und Bengels“, bestätigen. „Viele Pärchen kommen gezielt her, suchen zusammen aus“, erzählt Sonnino, der als Designer aus Paris gekommen war, um die Berliner untenrum aufzupeppen. „Wenn Frauen dabei sind, wird mehr gekauft.“ Insgesamt sei mindestens die Hälfte der Kundschaft weiblichen Geschlechts: „Frauen stehen mehr auf Farben und Ästhetik, für Männer ist Funktionalität wichtiger.“

Das sorgsam ausgewählte, wenn auch kostspielige Sortiment — Unterhosen von 25 bis 117 Mark — ist wahrlich ein Augenschmaus. Denn seit einigen Jahren ist der Slip auch für renommierte Modedesigner kein schlüpfriges Thema mehr: Zufrieden baumeln die geblümten Boxershorts von Kenzo neben dem Seidentanga von Habella, lasch hängt das Sackleinenmodell von Manstore neben Valentinos Baumwoll-Kreation. Besonders anmutig und deshalb der Hit sind die abwechselnd breit- und feingerippten Höschen mit Beinansatz der avantgardistischsten Marke l'homme invisible. Besonderer Clou: Die charakteristische maskuline Beule ist großzügig miteingearbeitet. Schwer erotisch kommen die Transparenten daher, wobei die Schamlosigkeit des Gewebes durch die angeschnittenen Beine aufs entzückendste konterkariert wird. Tatsächlich ist für Dessousdesigner alles drin. Ob Netzstoff, Blümchen, demütig hinten geknöpft oder dominaartig vorne geschnürt — rund um die Männerlenden gibt's keine Tabus mehr.

Die Dschungelkollektion ist nicht totzukriegen

Anhänger von Boxershorts und Tangaslips sind laut Sonnino meistens Frauen. Was sich dadurch erklärt, daß beide Formen durchaus ansehnlich sind. Nur der Träger spürt die Nachteile: Bei engen Oberhosen droht der berüchtigte Pampers-Effekt, wenn die geräumige Boxerbüx druntergeknüllt wird. Die Shorts sind ein Geheimtip nur für den Liebhaber weiter Beinkleider.

Der hochgeschnittene Tangaslip ist für kaum mehr als den erotischen Einsatz zu gebrauchen. Besonders beim Fahrradfahren verdreht sich das schmächtige Hinterteil zu einer schmalen Kordel, die erfahrungsgemäß einen einschneidenden Eindruck hinterläßt.

Ein fast schon peinlicher Klassiker ist das Leopardenhöschen 'Modell Balu‘ für den Tiger im Tarzan — die Dschungelkollektion ist nicht totzukriegen. Ebensowenig wie der Eingriff: Zum Schreck der zahlreichen Schlitzhasser feiert die spannendste Öffnung der Unterhose Renaissance— kaum ein Modell, wo der Zugriff verwehrt bleibt. Eingriffsgegner wie Harry H.: „Wo was reinkann, kann auch was rausfallen“, stehen sofort unter dem dringenden Verdacht, verklemmt zu sein.

Als besonders mutig gelten hingegen ausgerechnet diejenigen, die sich vom Hals bis zur Oberschenkelmitte durchgehend bedeckt halten: Der Bodysuit ist innerhalb eines Jahres vom Gag für Exzentriker zum modischen Muß aufgestiegen. Ob aus Seide mit aufknöpfbarem Unterteil, aus gebatikter Baumwolle oder schlichtem einfarbigem Ripp — ab sofort gilt der Mann im Body als perfekt gestylt für den gemütlichen Heimabend. Allerdings muß der Märchenprinz schon 229 Mark anlegen, um wie ein Frosch auszusehen: Ein knallgrüner Strampler aus feinstem Baumwollripp inklusive Beinansatz und abgesteppter Eingriffstasche von Stardesigner Valentino ist das Nonplusultra des Winters.

Schiesser-Fans kommen aus der 68er-Bewegung

Zum käuflichsten Schrei hat die Dessousindustrie einen kochechten Kompromiß erklärt: knielange Radlerhosen aus dünner Baumwolle, verspielt ums Bein schmeichelnd. Dieser Coup ist geradezu genial, packt es doch fast jede Neigung unter ein Dach. Sie ist eine Hommage an die Feinde der langen Unterhose, die Wärme nicht kaltläßt. Sie ist angenehm zu tragen und trägt kaum auf. Schließlich gestattet sie größtmögliche Schamhaftigkeit unter dem Deckmantel, man sei schließlich unglaublich trendy.

Doch weg von der Form. Das Charakteristikum der New-Under-Bewegung ist zweifelsfrei die Rückkehr des Ripp — ein Gewebe, das jahrzehntelang die Frauenaugen demütigte. Mit der berüchtigten Schiesser von einst — der deutschesten aller Unterhosen — hat die neue Ripp- Generation längst nichts mehr gemein. Sie leiert nicht, hängt nicht und ist kaum noch in Weiß anzutreffen.

Während in Szenekreisen die Rehabilitierung des Stoffes in vollem Gange ist, haben sich die Erfinder schamhaft abgewandt: Schiesser setzt — verzweifelt dem Zeitgeist hinterherlaufend — mehr und mehr auf glatt. Und bedient damit immerhin all jene, die hin- und hergerissen sind zwischen bequemer Biederheit und latenter Verwegenheit. Denn wer bei Schiesser nur an dicke Pappis und brave Beamte denkt, der irrt fatal. Das erschütternde Ergebnis einer harten Undercover-Recherche enttarnte eine ungeahnte Kundschaft: Ein Großteil der Schiesser- Fans kommt aus der 68er-Bewegung. Was nur einen Schluß zuläßt: das revolutionäre Potential ist endgültig in die Hose gerutscht. Und so offenbart sich das Tragen der Schiesser-Rebell, Gr. 5, glatt als das, was wir schon lange befürchteten: ein letztes, verzweifeltes, nostalgisches Aufbäumen dort, wo es keiner sieht.