MIR geht's gut

■ Ein Deutscher in Schwierigkeiten - und die Nation dreht durch

MIR geht's gut Ein Deutscher in der Schwerelosigkeit — und die Nation dreht durch

Der erste Schritt zur Überwindung des Traumas ist getan, wenn der Patient sein Leiden eingesteht, womöglich dessen Ursächlichkeit benennen kann. Das muß nicht bei vollem Bewußtsein geschehen. Mit Wernher von Brauns verräterischem Abgang war auch die (deutsche) Raumfahrt dem kollektiven Unbewußten überantwortet.

Überall konnten wir wieder hin — von Rimini bis Malaga —, nur im All durften wir uns nicht blicken lassen. Über All mißtrauten sie unserem Hang zum Universum... Unsere Früchte ernteten die anderen, die kulturlosen Amis, die die V-2-Unterlagen klauten, obwohl sie kaum lesen können, und die Russen, die alles mitgehen ließen, was nicht niet- und nagelfest war. Das ist ja heute noch so, nur den Dreck lassen sie liegen. Und laut sagen durfte man nichts. Auf die Ethik des Verlierers verstanden wir uns ja. Hübsch bescheiden sein. Aber es wurmte doch... Und dann noch dieser Möchtegernkosmonaut aus der angedockten Ostmark, der vor uns oben sein durfte. Außer der Simulation von Alpenmilch haben die doch überha... Wer hat uns eigentlich die ganze Scheiße eingebrockt? Aber jetzt nach Anamnese und (Verhaltens-)Therapie fühlen wir uns schon besser, schwebend schwerelos, wenn wir mal ganz exakt sind. Zumal wir noch ein neues Kapitel aufschlagen können. Die deutsch-russische Freundschaft grenzenlos. Die Russen haben echt geholfen, uns zu genesen. Das waren sie uns auch schuldig, wollen wir mal ganz ehrlich sein. Erst klauen sie die Unterlagen, lassen die Amis zuerst auf den Mond und brocken uns dann noch die Wiedervereinigung ein. Da mußte unser Junge einfach als erster raus. Die Russen gucken sowieso in die Röhre. Für die ist das nichts Neues. Haben ja in den letzten Jahren bewiesen, man muß nicht aufm Mond gewesen sein, um hinter ihm zu leben. Ihnen tut das auch ganz gut, so'n bißchen Vergangenheitsbewältigung. Hat ihnen in den letzten Jahren schließlich keiner gesagt, daß nicht alles auf ihrem Mist gewachsen ist.

Die Russen sind wirklich liebe Leute, wenn man sie genauer kennenlernt. Ein bißchen einfach. Es wundert immer wieder, wie sie das geschafft haben. Naja, alles andere haben sie dafür schleifen lassen. Wir sind gute Reklame für sie, bringt ihnen ja noch Geld ein. Obwohl es für uns ziemlich kostenneutral ausgefallen ist. Was sind schon acht Millionen — unter uns? Davon kann man nicht mal ein Tierheim unterhalten. Wir haben ihnen einfach gezeigt, warum sie uns so lieben: wir sind effektiv, einfach Cleverle. Apropos Cleverle, stammt die Optik nicht sowieso von Zeiss Jena? Alles in allem war es ein Akt humanitärer Hilfe: Ohne unser Geld hätten sie ihren Kosmonauten — wie heißt der gleich nochmal? — doch gar nicht runterholen können. Vielleicht bleiben jetzt auch noch ein paar Rußlanddeutsche mehr da, können doch stolz sein. Auf beide! Klaus-Helge Donath, Moskau