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Kleines albanisches Wahllexikon

■ Fünf Parteien kandidieren landesweit, die drei größten Oppositionsparteien sind verbündet

2,2 Millionen Albanerinnen und Albaner haben morgen die Wahl zwischen 517 Kandidaten aus elf Parteien. Das Wahlgesetz ist eine Mischung aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht, 100 Abgeordnete werden direkt gewählt, maximal 50 über eine Landesliste. Für die Aufteilung der Listenplätze kommen nur Parteien in Frage, die landesweit kandideren und vier Prozent der Stimmen erreichen. Falls beim Kampf um die Direktmandate niemand die absolute Mehrheit erreicht, findet ein zweiter Wahlgang zwischen den beiden bestplazierten Kandidaten statt.

Die Bedingung der landesweiten Kandidatur haben nur fünf Parteien erfüllt, nämlich:

1.Die Sozialisten, die bei den letzten Wahlen die absolute Mehrheit und zwei Drittel der Parlamentssitze erhielten. Die Mitgliederzahl der Partei ist seit der demokratischen Wende von 150.000 auf 100.000 gefallen. Die Partei hat nach wie vor ihren Haupteinfluß in den Dörfern und Kleinstädten des Südens und Ostens. Ihr Vorsitzender ist der ehemalige Premier Fatos Nano, ein Anhänger der reformistischen Richtung.

2.Die Demokratische Partei, eine Koalition liberal- konservativer Gruppierungen, hat jetzt 100.000 Mitglieder und Parteiorganisationen in 24 der 26 administrativen Bezirke. Ihr Führungskader stammt fast ausschließlich aus der großstädtischen Intelligenz, aber zunehmend auch aus dem Kreis der Dorfhonoratioren. Vorsitzender ist Sali Barisha, ein Kardiologe und vormals Mitglied der kritischen „Parteiintelligenz“ unter Hoxha und Alia.

3.Die Sozialdemokratische Partei ist ebenso wie

4.die Republikanische Partei mit den Demokraten verbündet. Erstere steht programmatisch der Sozialistischen Internationale nahe, von der sie auch lauwarme Unterstüzung erhält. Beide Parteien treten für graduelle, die Interessen der Arbeiter berücksichtigende Reformschritte ein, was sie im Gegensatz zum neoliberalen Flügel der DP aber in die Nähe der Sozialistischen Partei bringt.

5.Die Bauernpartei, deren Einfluß auf dem Land schwer einzuschätzen, nach dem Besuch ihrer Wahlveranstaltungen zu urteilen aber eher gering ist.

Die Vertretung der griechischen Minderheit in Südalbanien wird mit Sicherheit Direktmandate erringen.

Die beiden grünen Parteien sind ebenso chancenlos wie die verschiedenen „großalbanischen“ Gruppierungen.

Alle Parteien haben die gleichen Programmpunkte: Marktwirtschaft, Öffnung an ausländische Investoren, Privatisierung, Aufbau des Rechtsstaats, Selbstbestimmungsrecht für die Albaner in den Teilrepubliken des ehemaligen Jugoslawien, wobei gegenwärtig die Variante „Republik Kosovo“ bervorzugt wird. c.s.

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