Gazastreifen abgeriegelt

■ Zehntausende von PalästinenserInnen an Arbeit in Israel gehindert/ Ausreiseverbot „auf unbestimmte Zeit“

Tel Aviv (taz) —Gestern morgen riegelte die israelische Besatzungsmacht alle Zufahrtswege zum Gazastreifen ab. Zehntausende palästinensischer ArbeiterInnen, die ihren Lebensunterhalt in Israel verdienen, mußten zu Hause bleiben. Die Maßnahme gilt auf „unbestimmte Zeit“. Sprecher des Militärs erklärten, dies sei eine Reaktion auf die Intensivierung des Widerstands durch radikale Gruppen, vor allem bei den islamischen Fundamentalisten in dem Gebiet. In Jaffa hatte ein Amokläufer, der aus dem Gaza kam, am Dienstag zwei Menschen erstochen und mehrere Schulkinder verletzt.

Etwa 800.000 PalästinenserInnen leben im Gazastreifen, davon haben rund 80.000 eine Arbeitserlaubnis für Israel. Die Arbeitslosigkeit in diesem Gebiet ist hoch, etwa ein Drittel der erwerbsfähigen PalästinenserInnen sind ohne Beschäftigung. So haben sich Spannungen unter der vor allem aus Flüchtlingen bestehenden Bevölkerung stark zugenommen. Nach 25 Jahren israelischer Besetzung und angesichts der Aussichtslosigkeit ihrer Lage, auch fünf Monate nach Beginn der Nahostverhandlungen ohne Hoffnung auf Verbesserung, haben die Verzweiflungsaktionen einzelner Palästinenser zugenommen.

Der Kommandant der israelischen Besatzungstruppen im Gazastreifen, General M. Vilnai, erklärte gestern, die Schließung des Gazastreifens solle dazu beitragen, daß sich die Gemüter beruhigten. Möglicherweise wollen die Behörden eine Eskalation von Konflikten zwischen Israelis und Palästinensern vermeiden, die zu neuen Serien von Racheakten führen könnten. Daß jedoch der Verlust von Arbeitsmöglichkeiten für rund 50.000 PalästinenserInnen zu einer „Beruhigung“ führt, ist nicht zu erwarten. Beobachter nehmen daher an, daß es sich — vor allem nach dem Attentat gegen die israelische Botschaft in Argentinen — um eine Kollektivstrafe handelt, die der israelischen Bevölkerung ein gewisses Maß an Genugtuung verschaffen soll. Amos Wollin