Ein Denkzettel für die Sozialisten

■ Geringe Wahlbeteiligung bei Frankreichs Regionalwahlen erwartet/ 120.000 Studenten demonstrierten

Paris (taz) — Der Endspurt zu den Regionalwahlen war noch einmal besonders häßlich: Bei einer Wahlveranstaltung bei Nimes am Donnerstag abend schoß ein Anhänger der rechtsextemen „Front National“ auf einen Gegendemonstranten und verletzte ihn schwer. Der Täter entkam. Am Abend zuvor war es am Rande einer Demonstration gegen die „NF“ zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und einem Teil der rund 3.000 Gegendemonstranten gekommen. Die Polizei ging mit Gummiknüppeln vor. Mehrere Personen wurden verletzt.

Doch nur eine Minderheit der Franzosen nahm wirklich Anteil am Wahlkampf. Jeder zweite — so sagen Meinungsforschungsinstitute voraus — bleibt sowieso zu Hause, weil ihn keine der sieben landesweit antretenden Parteien motivieren kann. Die Sozialisten werden, so die Voraussagen, mit maximal 20 Prozent die großen Verlierer sein. Als kleine Verlierer werden RPR und UDF gehandelt. Gewinnchancen haben nur die sogenannten Protestparteien. Die Umweltparteien „Les Verts“ und „Generation Ecologie“ sollen gemeinsam rund 15 Prozent erhalten, sie könnten überflügelt werden vom anrüchigen Star der politischen Landschaft, der rechtsextremen Front National.

In ganz Frankreich werden die Regionalräte gewählt, dabei gilt Verhältniswahlrecht. Nur in der Hälfte der Departements werden die Generalräte erneuert — sie werden in den Kantonen nach Mehrheitswahlrecht mit zwei Durchgängen gewählt. Um die Kompetenzen der beiden Gebietskörperschaften zu verstehen, braucht man Detailkenntnisse. Grob gesagt bestimmt der für sechs Jahre gewählte Regionalrat die Entwicklung der Region mit, etwa im Bereich der Infrastruktur (Straße, Schulen). Der Generalrat entscheidet über alle Angelegenheiten, die ein Departement betreffen. Wie sollen die Wähler wissen, worum es geht, wenn selbst die Spitzenpolitiker über die Bedeutung dieser Wahl streiten? „Rein örtliche Entscheidungen“, rufen der liberalkonservative Giscard d'Estaing (UDF) und sein sozialistischer Gegner Fabius im Chor. Premierministerin Cresson schwankt, welche Bedeutung sie der Wahl zumessen soll: „In einigen Wochen wird niemand mehr daran denken“, beruhigt sie verzagte Anhänger, um Stunden später zu erklären, daß das Ergebnis große Auswirkungen auf die Politik der nächsten Jahre haben werde. Unterdessen demonstrieren Schüler und Studenten die Stimmung im Land. 100.000 protestierten am Donnerstag in der Provinz und 20.000 in der Kapitale gegen ein Reformprojekt von Bildungsminister Jospin. Der ist ratlos: „Sie fordern nichts, sie wollen nichtmal empfangen werden.“ Was die sozialistische Regierung auch vorschlägt, sie erzeugt Skepsis und Ablehnung. Bettina Kaps