Hanse-Ampel regiert geschäftsmäßig

100 Tage Bremer Modell: Gebührenerhöhungen und Polizeieinsätze gegen die Drogenszene  ■ Von Holger Bruns-Kösters

Bremen (taz) — Die Kindergartengebühren werden erhöht, die Sozialmieten steigen, die Fahrpreise für Bahn und Bus werden angehoben, die Müllabfuhr wird teurer, alle Ressorts müssen erhebliche Haushaltskürzungen hinnehmen. Nach nur 100 Tagen ist klar: Daß Bremen eine neue Regierung hat, merken die 650.000 Einwohner des kleinsten Bundeslandes zuallererst an ihrem Geldbeutel. Die Ampel aus SPD, Grünen und FDP hat in rasantem Tempo bewiesen, daß sie finanzpolitisch handlungsfähig ist. Das Spartempo, das die Koalitionäre anschlugen, hätte die SPD alleine gegen eine Opposition aus betroffenen Bürgern und Parteien kaum durchhalten können.

Ansonsten macht sich im Zwei- Städte-Staat langsam die Enttäuschung breit. Denn die vielbeschworene Erneuerung der politischen Kultur nach Jahrzehnten gewachsener SPD-Filzokratie steht noch aus. Im Gegenteil: Es gibt genügend Zeichen, daß auch in der Dreierkonstellation ein „Weiter so“ gilt. Da wurde der ehemalige Bremer Finanzsenator Claus Grobecker zum neuen Chaf der Bremer Landeszentralbank gemacht, obwohl die kurz vor der Abschaffung steht. Da bekommt ein ehemaliger FDP-Vorsitzender einen lukrativen Posten als Bremer Beauftragter in Berlin. Und der gutdotierte grüne Kultur-Staatsrat Gerd Schwandner kassierte neben seinem Bremer Gehalt weiterhin die Diäten als Abgeordneter in Baden- Württemberg und ließ sich, als dies aufflog, öffentlich mit dem Satz zitieren: „Doppelt verdienen ist schön.“ Erst dann legte er sein Mandat im Stuttgarter Landtag nieder.

Ansonsten hat sich die neue politische Konstellation schnell ans geschäftsmäßige Regieren gemacht. Neue inhaltliche Akzente sind dabei besonders im Hause des grünen Umwelt- und Stadtentwicklungssenators Ralf Fücks zu erkennen. Dem fällt es zwar immer noch schwer, „vom Wundermann zum Watschenmann“ eines Teils der grünen Klientel geworden zu sein. Aber immerhin ist inzwischen ein Umsteuern in der Abfallwirtschaftspolitik und in der Flächenplanung zu erkennen.

Von den beiden FDP-Senatoren machte vor allem Innensenator Friedrich van Nispen von sich reden. Schon kurz nach Amtsantritt fegte er mit dem eisernen Polizeibesen durch die Bremer Drogenszene. Durch die repressiven Maßnahmen ist zwar der Bürgerzorn über die öffentliche Szene besänftigt, die flankierenden sozialpolitischen Maßnahmen, die die Ampelregierung verabredet hat, stehen allerdings nach wie vor aus.

Die Protagonisten der Ampel sind derweil mit ihren Regierungsleistungen durchweg zufrieden. Bürgermeister Klaus Wedemeier meinte gestern, die Ampel sei zwar keine Schönwetterveranstaltung, werde diese Legislaturperiode aber erfolgreich überstehen. Fücks bezeichnete die Ampel als „nicht konfliktarm, aber konfliktfähig“. Die Grünen seien allerdings noch dabei, einen „schmerzhaften realpolitischen Lernprozeß“ durchzumachen. Den FDP-Bürgermeister Claus Jäger erfreuen „bemerkenswerte finanzpolitische Beschlüsse“. Alle drei bemühten sich gestern, den Eindruck zu vermeiden, als herrsche in der Ampel nur „Friede, Freude, Eierkuchen“. Für die Zukunft versprachen beispielsweise Jäger „reichlich“ Konflikte. Jäger: „Es wird noch richtig krachen.“ Angesichts einer müden CDU-Opposition warten viele Bremer geradezu darauf.