Renaissance der Häfen gegen Stadt am Strom?

■ Symposium zur Zukunft der Häfen: Stadtplaner wollen Umnutzung alter Reviere / Hafenwirtschaft verlangt Reserveflächen

Braucht Bremen einen Hafen ohne Schiffe? Foto: Katja Heddinga

Zwischen den Bahngleisen an der Kaje des Europahafens lagen immer Schätze: Grüne, ungeröstete Kaffeebohnen, rostige Kronkorken, gesplittertes Holz von Apfelsinenkisten, aufgedröselte Tauenden: Kindheitserinnerungen an den Hafen der 50er Jahre, als dort die dicken Pötte noch längsseits in Zweierreihen vertaut waren. Dieser quirrlige Hafen von gestern ist tot. Europahafen und Überseehafen, in denen bis in die 70er Jahre das Herz der bremischen Wirtschaft schlug, sind auf dem besten Weg zu maritimen Industriebrachen.

Nachdem im Sommer letzten Jahres der Senat darangegangen war, Sahnestücke aus dem großen Hafen-Kuchen an die Anlieger Kellogg und Eduscho zu verscherbeln, fordern nun der Bund Deutscher Architekten (BDA) und Architektenkammer, mit der Konzeptionslosigkeit Schluß zu machen und öffentlich über das Schicksal der Freihäfen nachzu

hier biite das

Foto von der Uferkaje

denken. Am Freitag war auf dem ganztägigen Symposium „Stadt am Strom“ dazu ausgiebig Gelegenheit.

„Man kann alles mit Wohnungen bebauen, was wirtschaftlich tot ist. Aber man darf nichts bebauen, was noch läuft“, wandte sich Günter Boldt vom Vorstand der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft gegen Pläne, im Hafen die dringend benötigten Grundstücke für den Wohnungsbau zu erschließen. Aber was läuft noch in den Freihäfen? Nennenswerter Umschlag, das räumte Boldt ein, wird in den beiden Becken nicht mehr erwirtschaftet. Aber die Hafenwirtschft brauche das Gelände für die Lagerhaltung.

Dem widersprach der Bremer Architekt Thomas Klumpp. Die vorhandene Infrastruktur sei für den Umschlag konzipiert und nicht für die Lagerhaltung. „Dieses citynahe Gelände ist als Lagerfläche viel zu schade“, warf Klumpp ein. Der Grundstücks

ausverkauf blockiere zudem jede städtebauliche Entwicklung.

Handelskammer-Geschäftsführer Andreas Otto gab zu, daß eine „Neustrukturierung“ in den Freihäfen nötig sei. Aber seine Vorschläge blieben allgemein; neue, in das Ambiente von leeren Kajen und rostenden Bahngleisen passende Betriebe müßten für frischen Wind sorgen. Wohnungen dagegen führten zu „Nutzungskonflikten“.

Gerd Markus, neuer Staatsrat im Häfenressort, präzisierte, welche Unternehmen auf dem Wunschzettel der Ressorts stehen, Spezialfirmen, die Logistik und Kommunikationstechniken anbieten. Bremer Firmen könnten sich da gute Chancen ausrechnen. Überdies stünde angesichts verstopfter Autobahnen die europäische Küstenschiffahrt vor einer Renaissance, so daß Bremen gut beraten wäre, Hafenkapazität vorzuhalten. Markus: „Es wäre Wahnsinn, die bestehenden Anlagen nicht zu nutzen.“

Angesichts der hafenpolitischen Wagenburgmentalität hatten es Ideenlieferanten nicht leicht. Baudirektor Jürgen Kotthoff vom Stadtentwicklungsressort kündigte eine gründliche planerische Bestandsaufnahme des riesigen Areals zwischen Stephaniebrücke und Kap-Horn-Hafen an, wobei sich sein Team vor allem um „unternutzte Flächen“ wie verwaiste Bahntrassen kümmern wolle. „Jedes Jahr werden in Bremen 120 Hektar verbraucht“, erinnerte Kotthoff. Da sei es dringend erforderlich, die weitere Zersiedelung am Stadtrand zu stoppen. „Die Innenentwicklung hat höchste Priorität.“ Wohnungsbau in den ehemaligen Hafenrevieren wollte der Beamte „nicht ausschließen.“ Damit fing er sich eine verbale Ohrfeige von Hafen-Staatsrat Markus ein. Kotthoffs Äußerungen stünden im Widerspruch zu den Abmachungen im Ampelkoalitionsvertrag.

Jenseits solcher Dispute zeigten ArchitekturstudentInnen, zu welch phantastischen Ideen sie das Freihafengelände inspiriert hat. „Stadt am Strom“ war 1990/91 Thema eines Ideenwettbewerbes. Die preisgekrönten Entwürfe schlagen beispielsweise vor, die Abschottung des Hafens durch B 75 und Oldenburger Bahn mit Hilfe einer großen Röhre in Fortsetzung der Faulenstraße zu überwinden. Kellogg, Eduscho und die übrigen Betriebe könnten bleiben, wo sie sind. Die Brachflächen werden für Wohnungsbau umgenutzt. Wassertaxis binden das Gebiet an die Innenstadt an.

Die RheinländerInnen gaben damit einen Vorgeschmack auf das zweite BDA-Symposium im Herbst, wenn 15-20 Architektengruppen an Ort und Stelle in den Häfen vorstellen wollen, was ihnen alles eingefallen ist, um die Freihäfen wieder zu einem Stück Stadt zu machen. Freilich: grüne Kaffeebohnen und aufgedröselte Tauenden wird man dann dort nicht mehr finden. Günter Beyer