Kein kultureller Bezug zur Freiheit

Für Kurt Schumacher war die Einheit Deutschlands zentrales „Nahziel deutscher Politik“. Mit der Entspannungspolitik verlor die SPD ihre gesamtdeutsche Identität. Es blieb nur noch staatliche Gleichgewichtspolitik übrig. Vorabdruck aus dem Heft 4/92 der 'Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte‘  ■ Von Tilman Fichter

Der Verdacht der nationalen Unzuverlässigkeit wurde im deutschnationalen Lager gegenüber der SPD mehr als hundert Jahre lang gebetmühlenhaft erhoben. Nachdem 1875 in Gotha die Lassalleschen Arbeitervereine sich mit den „Eisenachern“ zur „Sozialistischen Arbeiterpartei“ zusammengeschlossen hatten, reagierte Reichskanzler von Bishmarck auf diese Parteigründung mit dem Sozialistengesetz (1878-1890). Die „roten Reichsfeinde“ und „vaterlandslosen Gesellen“ wurden überwacht, ihre Funktionäre verhaftet, oft auch ausgewiesen und ihre Zeitungen beschlagnahmt bzw. verboten. In den Zwischenkriegsjahren lauteten die Schimpfworte der Völkischen und Deutschnationalen gegen die Sozialdemokraten „November- Verbrecher“ und „Erfüllungspolitiker“.

Nach 1945 war es aber gerade die SPD unter Kurt Schumacher und Erich Ollenhauer, die an der nationalen Einheit festhielt und in der Politik der forcierten Westorientierung Adenauers die Gefahr einer Verfestigung der deutschen Spaltung erblickte. Zwar hatte die SPD 1948 unter Schumachers Führung die Gründung eines separaten Weststaates akzeptiert; kurz vorher entwickelte Schumacher allerdings die These, daß ein provisorischer westdeutscher Teilstaat auf die „Sowjetische Besatzungszone“ (SBZ) eine starke ökonomische und politische Sogwirkung auslösen werde. Mehr als vierzig Jahre danach hat sich die „Magnettheorie“ Schumachers nun bewahrheitet. Welch ein Umweg!

Sein vergeblicher Versuch, die nationale Einheit gegen die Politik von Konrad Adenauer und Walter Ulbricht durchzusetzen, stützte in weiten Teilen der DDR-Bevölkerung zunächst die Hoffnung, die Wiedervereinigung sei mittelfristig erreichbar. Auch nachdem die sowjetischen Truppen den Volksaufstand niedergeschlagen hatten und die SED im August 1961 durch Berlin eine Mauer bauen ließ, blieb die SPD für viele Menschen in der DDR die „Wiedervereinigungspartei“. Dieser Eindruck hat sich freilich in den letzten zwanzig Jahren bei vielen Menschen in der DDR verflüchtigt. Wie kam es dazu?

Ein wichtiger Grund dafür ist das Klima des Kalten Krieges, in dem alle differenzierten gesellschaftspolitischen Positionen polarisiert wurden. Nach der schweren Wahlniederlage der SPD bei der Bundestagswahl 1957 bemühte sich die Parteiführung verzweifelt um eine nachträgliche „programmatische Eingliederung“ der westdeutschen Sozialdemokratie in die „herrschende Ideologie der Bundesrepublik“. Das Programm von Godesberg 1959 war deshalb nicht nur ein notwendiger Abschied von der fatalistischen Weltanschauung eines Karl Kautsky, es schwor die Gesamtpartei auch durch einen „ethischen Appell“ bedingungslos auf den Westen und das Programm der industriellen Moderne ein. Damals verlor die Sozialdemokratie allerdings auch ihre gesamtdeutsche Identität.

Mit ihrer Entspannungs- und Ostpolitik leiteten dann Willy Brandt und Egon Bahr in der Großen Koalition Ende der 60er Jahre eine neue Phase in der Deutschlandpolitik ein. Von der anvisierten Dialektik zwischen staatlicher Annäherung und politisch-ideologischer Auseinandersetzung blieb in den 70er und 80er Jahren dann nur noch die staatliche Gleichgewichtspolitik übrig. Die ursprünglich beabsichtigte Entspannungs- und Friedenspolitik erstarrte so in der Ära Helmut Schmidt immer mehr zur Metternichschen Status- quo-Politik. Schließlich war es Helmut Kohl, der 1987 in Bonn für Honecker sogar den Teppich ausrollen ließ. Welche Ironie!

Diplomatie statt Solidarität

Die deutschlandpolitische Glaubwürdigkeit der SPD begann in den Reihen der DDR-Opposition seit jenem Tag zu bröckeln, als sich der sozialdemokratische Bundeskanzler Helmut Schmidt am 13. Dezember 1981 im menschenleeren und von der Stasi demonstrativ besetzten mecklenburgischen Kreisstädtchen Güstrow mit dem Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker traf. Am gleichen Tag hatte General Jaruzelski in Warschau das Kriegsrecht ausgerufen und die im Spätsommer 1980 entstandene national-polnische Gewerkschaftsbewegung „Solidarność“ verboten. Anstatt sofort abzureisen, blieb der Kanzler in Güstrow. Auf die Frage eines Hamburger Journalisten, ob das „Thema Polen“ auch auf der „Tagesordnung“ gestanden habe, antwortete Helmut Schmidt leicht pikiert-schnoddrig: „Was bringt Sie auf diese Idee? Herr Honecker ist nicht der Regierungschef der Volksrepublik Polen und ich auch nicht. Wir sind beides Vertreter von Staaten, die den großen Wunsch haben, daß es den Polen gelingen möge, aus eigener Kraft, und nur aus eigener Kraft, ihre Schwierigkeiten zu überwinden.“

Helmut Schmidts realpolitischer Kotau vor dem polnischen General des kleineren Übels, der durch seinen Militärputsch einer drohenden sowjetischen Invasion zuvorgekommen sein soll, beförderte den tendenziell selbstverschuldeten Ansehensverlust der westdeutschen Sozialdemokratie in der DDR-Gesellschaft. Dieser Legitimationsverlust schlug sich dann letztlich auch u.a. in den schlechten Wahlergebnissen unserer Partei bei der ersten freien Volkskammerwahl der DDR am 18. März 1990 und in der letzten Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 sowie in der Organisationsschwäche in den neuen Bundesländer nieder.

Doch zur Vorgeschichte der SPD- Wahlniederlagen 1990 gehören noch mehr Unterkapitel: So bescheinigte z.B. die — vom Parteivorstand gewählte — „Grundwertekommission der SPD“ dem zwei Jahre später zusammenbrechenden „Arbeiter-und- Bauern-Staat“ — noch im Juni 1987 in einer gemeinsamen Erklärung mit der „Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED“, daß „beide Gesellschaftssysteme“ einander „Entwicklungs- und Reformfähigkeiten“ zubilligen sollten. Welch ein gewaltiger Irrtum. Die weitgehende Blindheit in dieser Kommission läßt sich darauf zurückführen, daß in der westdeutschen SPD-Spitze in den 80er Jahren der Wille zur Gleichgewichtspolitik in Europa stärker entwickelt war als der soziologische Blick für die Realitäten im Warschauer Pakt.

Die polnische Volkskirche als Rivalin zum autoritären Jaruzelski- Militärregime, die Solidarność-Gewerkschafter in ihrem permanenten Kampf gegen eine (längst) irrational (gewordene) zentrale Planwirtschaft und das existentielle Freiheitspathos der Warschauer Intellektuellen wurde — und zwar nicht nur in weiten Teilen der westdeutschen Sozialdemokratie — nur als Störfaktor für die deutsch-deutsche Status-quo-Politik registriert. Doch die Rückkehr der Massen in die mittel-, südost- und osteuropäische politische Realität war unaufhaltbar.

In dieser Closed-up-Atmosphäre konnte es dann auch passieren, daß zum Beispiel Egon Bahr in einem 'Vorwärts‘-Artikel vom Januar 1982 die Solidarność-Sympathisanten in Westeuropa mit einer publizistischen Breitseite anschoß, weil sie die angeblichen „Zwänge der Realität“ nicht länger akzeptieren wollten. Deshalb schrieb er u.a. der antistalinistischen Linken in Paris (und anderswo) ins Stammbuch: „Kein Ziel rechtfertigt den Krieg: Weder die deutsche Einheit, noch die Freiheit der Polen.“ Doch die Polen ließen sich auch nicht im Namen des Friedens bevormunden und kämpften — trotz Kriegsrechts und Ausnahmezustands — mutig für ihre individuelle Freiheit und nationale Souveränität.

Analyseverzicht der linken Intelligenz

Die rasch anwachsende Jugendprotestkultur der Andersdenkenden erreichte einen ersten dramatischen Höhepunkt, als am 17. Januar 1988 in Ost-Berlin die Staatssicherheitspolizei mehrere Demonstranten festnahm, die während der „Luxemburg-Liebknecht-Demonstration“ ein Transparent mit Rosas Losung, Freiheit sei immer die Freiheit des Andersdenkenden, zeigen wollten. Doch engstirnig negierte ein großer Teil der BRD-Linken in und jenseits der SPD diese ersten Anzeichen für eine vorrevolutionäre Situation. Revolutionen seien — so drückte es Marx 1850 einmal lapidar aus — „Lokomotiven der Geschichte“. In solchen Zeiten drängten sich in wenigen Wochen lange Epochen zusammen, die sonst nach halben Jahrhunderten gezählt würden. Trotz dieser bei vielen hiesigen Linksintellektuellen sattsam bekannten Marxschen Reflexionen begriffen damals nur wenige linke Sozialwissenschaftler und Historiker, daß die DDR-Gesellschaft langsam aber sicher zerfiel.

Der deutschsprachige, in Wien geborene und heute in Burgund lebende jüdisch-marxistische Philosoph André Gorz äußerte sich in einem 'Spiegel‘-Gespräch im Januar 1982 über die Deutschland-Kritik der Pariser Linksintellektuellen an der abwartenden Haltung der westdeutschen Linken gegenüber der Jaruzelski-Militärjunta. Gorz formulierte einen grundsätzlichen, geschichtsphilosophisch begründeten Vorbehalt gegenüber dem Neopazifismus der Westdeutschen: Seiner Meinung nach gibt es Nationen, deren „Schicksal mit der Idee der Freiheit“ verknüpft ist, etwa Polen, Frankreich, Großbritannien und — trotz allem — auch die Vereinigten Staaten. Andererseits gebe es in Europa aber auch Nationen — wie z.B. Deutschland und die Schweiz —, deren „Schicksal mit der Idee der Freiheit nicht verbunden“ sei.

Die Deutschen wiederholen alte Fehler

Deutschland und Frankreich hätten darüber hinaus auch in diesem Jahrhundert erneut „unterschiedliche geschichtliche Erfahrungen“ gemacht. So habe Frankreich in den 30er Jahren leider „das Leben der Freiheit“ vorgezogen. Damals hätten Pariser Intellektuelle Artikel und Bücher mit der pazifistisch-rhetorischen Fragestellung: „Sollen wir für Österreich sterben?“, „Wollen wir unser Leben für die Sudeten riskieren?“ oder „Sollen wir für Danzig sterben?“ veröffentlicht. Am Ende habe „Frankreich alles verloren, inklusive der Selbstachtung“. Aus dieser historischen Niederlage hätten die Pariser Intellektuellen jedoch gelernt, daß man den „Frieden nicht darauf aufbauen kann, daß man die gewalttätige Unterdrückung anderer Völker akzeptiert“.

Nicht zuletzt deshalb — so Gorz in diesem Gespräch — werfen die französischen Intellektuellen ihrem deutschen Counterpart auch heute vor, daß sie die Fehler erneut begehen, die „wir vor fünfzig Jahren“ selbst begangen haben. Sie verhielten sich gegenüber den Stalinisten in Polen so, wie „wir uns 1938 gegenüber Hitler“ verhalten haben. Jetzt zögen die Westdeutschen „das Leben der Freiheit“ vor. Einem solchen Verhalten fehle aber letztlich der „kulturelle Bezug zur Freiheit“.

Hat Egon Bahr in seinem 'Vorwärts‘-Artikel damals vielleicht auch auf André Gorz' Vorwurf gegen die Polen-Politik der sozialliberalen Bundesregierung geantwortet? Hat der Freiheitskampf der Polen in den 80er Jahren den Weltfrieden wirklich je gefährdet? Oder hat nicht vielmehr der linke Moralist Gorz mit seiner pessimistischen Einschätzung recht behalten, daß nämlich den westdeutschen Linken der kulturell- aufklärerische Bezug zur Freiheit fehlt? Ist dieser kulturelle Mangel aber wirklich nur ein Problem der westdeutschen Linken? Oder war es in Wirklichkeit nicht so, daß große Teile der politischen Klasse in Bonn längst so Establishment-fixiert gedacht haben, daß sie sich einen erfolgreichen Aufstand von machtfernen Dissidenten, Solidarność- Aktivisten und Moralisten längst nicht mehr vorstellen konnten?

Last not least: Waren in das außenpolitische Denken der damaligen SPD-Politikmacher nicht — wie unbewußt auch immer — Elemente der Bismarckschen Auswärtigen Politik eingeflossen, obwohl die Sozialdemokratie historisch mit dieser Politiktradition nichts zu tun gehabt hatte? Der Bismarcksche Gedanke einer „überstaatlichen Interessengemeinschaft“ zur allgemeinen Friedenssicherung spielte ganz sicherlich nach dem Bau der Mauer im Zeichen des atomaren Patt erneut eine wesentliche Rolle. Doch nach dem Zusammenbruch der Nachkriegsordnung ist nun auch diese „zweite Bismarcksche Ära“ vorbei.

Generative Abstinenz Die Linke und die Einheit

Neben der Vorliebe für eine außenpolitische Gleichgewichtspolitik spielte in der SPD der 80er noch eine spezielle generative Konstellation eine wichtige Rolle. So warnte etwa im Herbst 1989 Günter Grass (Jahrgang 1927) in einem 'Spiegel‘- Gespräch davor, daß die „eigentliche Problematik der Gegenwart“ durch die „Neuvereinigung Deutschlands“ verdeckt werden könnte: „Das Ozonloch wird durch die Annäherung der Deutschen nicht kleiner.“ Die ökologische und nationale Frage so miteinander zu verknüpfen, läuft m.E. auf eine ziemlich billige Polemik hinaus und geht am Kern des ökologischen Problems vorbei. Diese Argumentationsverknüpfung ist aber durchaus nicht untypisch für die Generation der heute 60- bis 65jährigen Vordenker im Umkreis der Sozialdemokratie.

In eine etwas andere Richtung läuft die Argumentation des linksliberalen Frankfurter Philosophen Jürgen Habermas (Jahrgang 1929): Mit Begriffen wie „pausbäckiger DM-Nationalismus“ oder „Wirtschaftsnationalismus“ verband sich bei ihm eine emotionale Abwehrhaltung gegen den ökonomischen und staatlichen Anschluß der DDR an die BRD. Diese Argumentation übersieht allerdings, daß die DDR-Wirtschaft bankrott und eine — von vielen DDR-Intellektuellen gewünschte — sozialistisch-demokratische Wende in der DDR aus eigener Kraft objektiv nicht mehr möglich war.

Es bleibt die Frage nach den Ursachen dieser generationsspezifischen Abstinenz in der Umbruchsituation der deutsch-deutschen Neuvereinigung. Günter Grass hat dies in einer Berliner Rede am 25. Februar 1990 am deutlichsten zum Ausdruck gebracht. Zunächst erinnerte er sich an den Schock, den er erlebte, als er 1945 als 17jähriger Flakhelfer in US- Gefangenschaft geriet und dort, mit den Bildern des Grauens aus deutschen KZs konfrontiert, mit „vertrotztem Nichtglaubenwollen“ reagierte. Dieses Schockerlebnis vermischte er sodann mit dem massenhaften Vereinigungswunsch der Bevölkerung der gerade untergehenden DDR: „Indem ich meinen Vortrag unter die lastende Überschrift ,Schreiben nach Auschwitz‘ stellte, sodann literarische Bilanz zog, will ich zum Schluß der Zäsur, den Zivilisationsbruch Auschwitz dem deutschen Verlangen nach Wiedervereinigung konfrontieren. Gegen jenen aus Stimmung, durch Stimmungsmache forcierten Trend, gegen die Kaufkraft der westdeutschen Wirtschaft — für harte D-Mark ist sogar Einheit zu haben —, ja sogar gegen ein Selbstbestimmungsrecht, das anderen Völkern ungeteilt zusteht, gegen all das spricht Auschwitz, weil eine der Voraussetzungen für das ungeheure, neben anderen älteren Triebkräften, ein starkes, geeinigtes Deutschland gewesen ist.“

So ernst zu nehmen sein nachträgliches Entsetzen ist, so fatal wirkt es, die — sicherlich nicht untypischen — Nazismus- und Kriegserfahrungen, der, wie ich sie nenne, „HJ- und Flakhelfergeneration“ als Begründung dafür zu benutzen, um der Bevölkerung in der untergehenden DDR ihr Selbstbestimmungsrecht abzusprechen.

Leider war die Wiedervereinigung nach Godesberg auf dem Fahrplan der SPD nicht mehr vorgesehen. Der Unterdrückungscharakter des Stasi-Apparates wurde, und zwar nicht nur in Teilen der „Enkel“-Generation — verharmlost; eine wachsende Zustimmung der DDR-Bevölkerung zur Honecker-Regierung oft kommentarlos vorausgesetzt. In der westdeutschen Sozialdemokratie der 70er und 80er Jahre gab es jedoch auch einige bemerkenswerte Ausnahmen. Ich denke hier z.B. an die demonstrative, innerparteilich keineswegs unumstrittene Teilnahme des Vorstandsmitgliedes der SPD, Peter von Oertzen, am „Freiheit-für- Rudolf-Bahro“-Kongreß in Berlin im November 1978 oder an die engagierte Solidarität der mittlerweile eingestellten SPD-nahen Kulturzeitschrift 'L'80‘ mit den osteuropäischen Dissidenten.

Die linke Angst vor einem neuvereinigten Deutschland hat freilich nicht nur generationsspezifische Ursachen. Denn seit der freiwilligen Übergabe der politischen Macht an Adolf Hitler ist das Urvertrauen der deutschen Linken in die demokratische Kultur unseres Landes stark gestört. Große Teile der deutschen Linken in und jenseits der SPD machen für diese freiwilligen Machtauslieferung an Hitler übrigens nicht nur die großen bürgerlichen Parteien, die Reichswehr, die beiden Volkskirchen und das Industrie- und Finanzkapital verantwortlich. Sie mißtrauen, nicht zuletzt angesichts der kampflosen Kapitulation der deutschen Arbeiterbewegung vor der braunen Barbarei, auch der eigenen Politik- und Aktionsfähigkeit in der Krise.

Doch kann die Antwort auf den Holocaust nicht die künstliche Spaltung Deutschlands sein. Es geht in unserem neuvereinigten Land vielmehr — dies zumindest haben wir in den Jahren 1967/68 und 1989/90 gelernt — um eine radikale Demokratisierung des gesellschaftlichen Lebens. Und dies vor allem aus zwei Gründen: Zum einen ist die Demokratie die humanste politische Daseinsform, die wir kennen; zum anderen hat der autoritäre Charakter (als psychische Voraussetzung für Gewalt und Nazismus) in einer Demokratie langfristig keine Chance.

Der Autor ist Referent für Schulung und Bildung beim Parteivorstand der SPD