Banken sollen Ost-Äcker verkaufen

Die ehemals volkseigenen Felder und Wälder der DDR sind von der Treuhand zur Privatisierung an ein westdeutsches Bankenkonsortium übergeben worden — gegen den Willen der Ost-Bundesländer  ■ Aus Berlin Donata Riedel

Wem gehört das volkseigene Land? Die Frage ist zwar in sich unlogisch; trotzdem werden sich mit ihr noch auf Jahre hinaus die Gerichte des vereinigten Deutschlands befassen müssen. Es geht um knapp vier Millionen Hektar Ackerland und Wald in den neuen Bundesländern, um das sich die ostdeutschen Länder und der Bund streiten — derweil die Treuhandanstalt (des Bundes) in der vergangenen Woche leise Fakten geschaffen hat.

Während die Öffentlichkeit anläßlich der Verwaltungsratssitzung am letzten Dienstag auf die Werften in Mecklenburg-Vorpommern starrte, stimmte das Gremium nebenbei der Privatisierung von einem Drittel des DDR-Bodens zu: Eine „neuzubildende Boden-Verwertungs- und Verwaltungsgesellschaft mbH (BVVG)“ übernimmt die Wälder und Felder zur „Verwertung“. Je 25 Prozent der BVVG halten die Deutsche Siedlungs- und Rentenbank (Bonn), die Landwirtschaftliche Rentenbank (Frankfurt/Main), die Landeskreditbank Baden-Württemberg und (vorläufig) die Treuhandanstalt.

Das sogenannte Bodenreformland war zwischen 1945 und 1949 den ostelbischen Großgrundbesitzern, den Kriegsverbrechern und Nazi-Funktionären enteignet worden. 80 Prozent dieser Flächen wurden nach der Vereinigung unter die Verfügungsgewalt der Treuhand gestellt. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom April 1991 muß es den Alteigentümern nicht zurückgegeben werden. Anders als bei den meisten DDR-Industriebetrieben handelt es sich bei den ausgedehnten Ländereien um Werte von schätzungsweise fünf bis zehn Milliarden Mark.

Die ostdeutschen Bundesländer haben den brandenburgischen Finanzminister Klaus-Dieter Kühbacher (SPD) zu ihrem Vorkämpfer gemacht. Kühbacher will den Verkauf der Pferderennbahn Hoppegarten vor den Toren Berlins als Präzedenzfall durch sämtliche Instanzen klagen: Die Treuhand hatte das vormals Volkseigene Gut mit 430 Hektar Gelände an den Berliner Union- Klub verkauft; obwohl Brandenburg Rückübertragungsansprüche gestellt hatte.

Außer ums Geld geht es den Brandenburgern vor allem um die Verfügungsgewalt über die Flächen. Gewerbegebiete, Erholungsgebiete oder auch neue Bauernhöfen ließen sich viel leichter planen, wenn das Land dem Land gehörte, argumentiert Kühbacher stellvertretend für die fünf neuen Länder. Demgegenüber geht es der Treuhand um eine schnelle Privatisierung der Flächen. Seit der Vereinigung haben die Bauern, die das Land bewirtschaften, jeweils nur für ein Jahr Pachtverträge erhalten — Voraussetzungen, unter denen niemand in den Aufbau eines Hofes investieren kann.

Die drei Banken, die über die BVVG jetzt Mehrheitseigentümer sind, dürfen das Land übrigens nicht zugunsten der eigenen Kassen verscherbeln. Sie müssen es nach dem Siedlungskaufmodell den bisherigen Genossenschaftsbauern zum Kauf anbieten. Zinsverbilligungen und Kaufpreisstundungen sollen es den Landwirten erleichtern, bis zu 160 Hektar Fläche zu erwerben. 2,5 Prozent Zinsen und 1 Prozent Tilgung des Gesamtkaufpreises müssen nach diesem Modell die sogenannten Wiedereinrichter jährlich zahlen, was ungefähr dem sonst fälligen Pachtpreis entspricht. Nach 30 Jahren wird ihnen dann das Land gehören.

Die BVVG soll in den nächsten 15 Jahren die Privatisierung bewältigt haben. Viel Zeit dürfte sie dafür brauchen, das Land überhaupt genau zu vermessen und die Grenzen zu benachbarten Privatgrundstücken zu rekonstruieren. Entlohnt werden die Banken nach ähnlichen Richtlinien, wie sie die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau bei öffentlichen Aufträgen vorschreibt: Der nachgewiesene Aufwand — beispielsweise für die voraussichtlich 150 Beschäftigten — wird erstattet; zusätzlich eine Provision von „wahrscheinlich deutlich unter zehn Prozent“ des Kaufpreises, wie auf den Fluren der Treuhandanstalt zu erfahren war.

Um das „Wiedereinrichter-Konzept“ für die ehemaligen Genossenschaftsbauern auf den volkseigenen Gütern nicht zu gefährden, soll allerdings zwischen den Ländern und der Treuhand über Details des Privatisierungskonzepts weiterverhandelt und in drei bis vier Wochen im Verwaltungsrat erneut beraten werden.