Tödliches Chemiegrab in Leverkusen

■ 15 Krebsfälle, 5 tödlich/ Stadt will Schule und Kindergarten neben der Bayer-Kippe nicht räumen

Berlin (taz) — Eine alte Müllkippe des Bayer-Konzerns, auf der in den vergangenen dreißig Jahren Wohnhäuser und an deren Rand eine Schule und ein Kindergarten errichtet wurde, hat Schüler, Lehrer und Bewohner einer permanenten Vergiftung ausgesetzt. 15 Lehrer der 1960 am Rand der Deponie errichteten Gemeinschaftshauptschule Leverkusen-Wiesdorf sind nach einem Bericht des 'Spiegel‘ in den vergangenen fünfzehn Jahren an Krebs erkrankt, 5 gestorben. Ein Viertel der untersuchten Schüler und Bewohner wiesen schon 1988 „auffällige Befunde des Blutbilds“ auf. Der Gutachter empfahl nach weiteren Untersuchungen schon im Februar 1989 die Schule zu schließen. Passiert ist seitdem an der Schule nichts. Nach wie vor wird dort unterrichtet.

Begründung: Die Schule liegt nicht direkt auf der Deponie. Schon 1988 hatte sich Bayer zwar dazu bekannt, das 68 Hektar große Deponie- Areal am Rhein von den zwanziger bis in die sechziger Jahre als Müllkippe genutzt zu haben. Für den Geländestreifen direkt südöstlich der Deponie Dünnaue, der nach hydrochemischen Messungen von der Deponie verseucht worden ist, fühlt sich aber niemand verantwortlich. Eben dort steht die Hauptschule und ein städtischer Kindergarten. Noch Ende der achtziger Jahre plante die Stadt Leverkusen sogar eine Erweiterung des Kindergartens. Jetzt ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft wegen schwerer Körperverletzung.

Auf der Deponie selbst hatte der Farben-Konzern 40 Jahre lang neben Bauschutt einen ganzen Cocktail an giftigen organischen Verbindungen und Schwermetallen entsorgt. Die Konzentrationen reichen bis über 30 Gramm Blei pro Kilo Boden und 45 Gramm Chlorbenzole pro Kilo. Inzwischen wurden über 20 Stoffe festgestellt, die nachgewiesen krebserregend sind oder unter dem Verdacht stehen, Krebs zu erregen. Die Bedrohung sei vielleicht größer als in Bitterfeld. Schon bei mittlerem Rheinhochwasser könne der Giftcocktail der Deponie über die Deponie hinaus auf das Schulgrundstück gedrückt werden. Der Kindergartenkeller stand bei Hochwasser bereits unter Wasser. Bedroht sind auch die Bewohner eines Altenheims am Südrande der Deponie.

Ein Bayer-Sprecher erklärte, mehrere Gutachten hätten ergeben, daß von dem Gelände keine gesundheitlichen Gefährdungen ausgingen. Eine von Bayer versprochene Absicherung der Kippe gegen ein Auslaufen der giftigen Brühe hat noch nicht begonnen. Und von den 259 Familien, die die Stadt auf der eigentlichen Kippe ansiedelte, sind erst 156 umgesiedelt. Bis zum Oktober soll auch der Rest folgen. ten