AB FREITAG NEUE MUSIK „Das Eigene und das Fremde“

hier die Musiker

Das Ensemble Recherche

Frauen- und Männerstimmen zitieren, deklamieren und parodieren in verschiedenen Sprachen Bruchstücke aus Verordnungen, Analysen, Gedichten und Zeitungen. Im Orchester erklingt die Maschinerie von Gesetzen, Haß, Unverständnis, Angst und Einsamkeit, die alle unterwirft, die in einer fremden Kultur leben müssen. Das ist Misere aus dem Zyklus Les Emigres von Vinko Globokar aus Slowenien. Es wird am kommenden Freitag unter der Leitung von Globokar selbst die Tagung „Das Eigene und das Fremde — Musik zwischen Aneignung und Enteignung“ eröffnen.

Bis Sonntag abend werden in der Galerie Rabus in Konzerten und auf Podien weitgehend unbekannte ausländische KomponistInnen und vier deutsche Musik- und Gesellschaftswissenschaftler zu Gast sein. Mit dem Publikum

soll fremder Neuer Musik zugehört und über die musikalische Verarbeitung der Erfahrungen mit Fremdheit, Exil und Entwurzelung diskutiert werden.

Die Konzeption dieser Tagung stammt von der „projektgruppe neue musik (pgnm)“ — einem Zusammenschluß von sechs Bremer Musikfachleuten, darunter Ingo Ahmels von DACAPO, der Musikjournalist Hartmut Lück und der Komponist Uwe Rasch. Sie organisieren jährlich Tagungen über aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und deren Beziehung zur Neuen Musik.

Die politische, ästhetische und individuelle Vielschichtigkeit des Tagungsthemas wird durch die eingeladenen KomponistInnen bestens repräsentiert: außer bei Vinko Globokar ist auch in den Kompositionen von Graciela Paraskevadis (Uruguay) und Juval Shaked (Israel) die politische Auseinandersetzung mit Fremdsein und Entfremdung zu spüren. Eine zweite Gruppe von KomponistInnen entwickelt ihre Musiksprache mit Elementen der musikalischen Traditionen ihrer Heimatländer. Ahmed Essyad (Marokko), Malcolm Goldstein (USA), Julio Estrada (Mexiko) und Younghi Pagh-Paan (Korea) befinden sich damit in ständiger Auseinandersetzung mit ihrer eigenen ursprünglich eurozentristischen Ausbildung und der aus dieser Sicht fremden Musikkultur ihrer Länder.

Das Besondere an dieser Tagung ist die Möglichkeit zu intensiver Arbeit an einzelnen Musikstücken und Fragestellungen: die pgnm hat einen Reader zusammengestellt, der zur Hälfte aus Texten der KomponistInnen und Experten besteht, die eigens für diese Tagung geschrieben wurden. Die MusikerInnen des „ensemble recherche“ sind ständig anwesend, um jederzeit einzelne Stücke oder Passagen spielen zu können. Das Freiburger Ensemble spielt außerdem in den Konzerten der Tagung Werke der eingeladenen KomponistInnen (siehe Kasten). Die VeranstalterInnen wollen sich nicht auf den Tagungsergebnissen ausruhen: das Abschlußkonzert mit dem Schlagzeuger Mirco Ardeleanu führt mit Werken ganz anderer fremder Komponisten die Ergebnisse fort. Wilfried Wiemer