„Ein Hilferuf der BürgerInnen“

■ Untersuchung zu den Gründen für rechtsradikales Wahlverhalten

Soziale Ängste sind das zentrale Motiv, rechtsextrem zu wählen. Zu diesem — nicht gerade überraschenden — Ergebnis kommt die neue Studie über „Ursachen und Hintergründe der Erfolge rechtsextremer Parteien in Bremen“, die jetzt in der Bremer Edition Temmen erschienen ist. Der Autor Jürgen Dinse, im Hauptberuf Abteilungsleiter beim Statistischen Landesamt, hat im wesentlichen die repräsentativen Wahlstatistiken der letzten beiden Bürgerschaftswahlen mit den Ergebnissen der Volkszählung von 1987 in Beziehung gesetzt. Seine Arbeit, deren erste Ergebnisse bereits im August 1991 direkt vor der Bürgerschaftswahl vorgestellt worden waren, steht im Zusammenhang eines Forschungsvorhabens des Kooperationsbereichs Universität-Arbeiterkammer, in dem neben dieser rein statistischen Analyse zur Zeit auch mithilfe qualitativer Interviews die Motivation rechtsextremer WählerInnen erfragt wird.

Während in den Jahren 1970 bis 1987 allein 150.000 BremerInnen mit höheren Einkommen ins niedersächsische Umland gezogen sind, sei vor allem in den Hochhaussiedlungen Bremen- Nords, Osterholz-Tenevers und der Neuen Vahr eine Bevölkerung zurückgeblieben, die besonders stark von Arbeitslosigkeit, Jugenderwerbslosigkeit und Verunsicherung durch den Verlust gewohnter Nachbarschaftsbeziehungen geprägt gesesen sei, so Dinse. Diese „soziale Entmischung ganzer Stadtteile“ werde als Niedergang der Wohnquartiere empfunden und habe entsprechende soziale Ängste zur Folge gehabt.

Einen direkten statistischen Zusammenhang sieht Dinse auch zwischen rechtsextremem Wahlverhalten und der unvorbereiteten Konfrontation der entsprechenden Stadtteile mit „neuen, fremden, häufig ausländischen Nachbarn, die in die leerstehenden Wohnungen einzogen“. Er versteht deshalb die rechtsextremen Stimmen vor allem als einen „Hilferuf von BürgerInnen, die glauben, mit der gesellschaftlichen Entwicklung materiell und geistig nicht Schritt halten zu können“. Die Wirkung der durch die deutsche Vereinigung geweckten neuen deutsch-nationalen Stimmungen auf das Wahlverhalten konnte er nicht untersuchen, da ihm nur quantitative, jedoch keine qualitativen Forschungsergebnisse vorlagen. Das Buch ist ab sofort im Buchhandel erhältlich.

Ase

Jürgen Dinse: Zum Rechtsextremismus in Bremen,

Edition Temmen, 120 Seiten, 14 Mark.