„Petrus, Paulus, Luther, Stolpe...“

■ Deutsch-deutsche Vergangenheitsbewältigung in der Zionsgemeinde

“Wir wollen die Leiche anschauen. Wir wollen analysieren, sezieren, die Wahrheit ans Tageslicht bringen. Erst wenn wir diese radikale Offenheit geschafft haben, dann wollen wir den aufgewühlten Leib wieder zunähen und der Erde übergeben.“ Wortgewaltig predigte Pastor Günter Danger von der Zionsgemeinde in der Neustadt am vergangenen Sonntag zur deutsch-deuschen Vergangenheitsbewältigung: „Wir erleben eine Trauerfeier um den Leichnam 40 Jahre DDR“. Ernste, gesetzte Worte, denen dann ein munterer Leichenschmaus folgte.

„Vertreter der einschlägigen Parteien“, wie es in der Einladung hieß, waren zu einer Diskussionsrunde im Anschluß an die Sonntagspredigt geladen. Sie hatten mit den Gemeindegliedern ein schweres Stück Arbeit vor sich: „Bewältigung unserer Vergangenheit, dargestellt an Beispielen wie Petrus, Paulus, Luther, Stolpe...“, hatte es in der Einladung geheißen.

Das war der Pastorengattin Elisabeth Motschmann von der CDU doch zu arg. „Also Herr Stolpe, das ist doch kein Apostel“, wußte sie. Gut die Hälfte der Gottesdiensbesucher hatte den Weg in den Gemeindesaal gefunden. Herr Becker von der FDP war nicht erschienen, für die Grauen war ein Herr Sturm zugegen, nur halb so gut wie Trude Unruh, aber doppelt so laut. Nachdem sie vom Gemeindequerulanten Meier der BND-Mitarbeit bezichtigt worden war, bekam Frau Motschmann keinen geraden Satz mehr heraus.

Die Matadore des Vormittags waren der Grüne Hermann Kuhn und der designierte SPD-Vorsitzende Horst Isola. In kaum einer Frage sind bei den Ampelpartnerinenn die Positionen so verhärtet wie beim Umgang mit der Stasi- Vergangenheit. Kuhn gehört zu den Initiatoren des Antrages, alle Bürgerschaftsabgeordneten auf eine eventuelle Mitarbeit bei der Stasi zu überprüfen. Der Antrag hat bei den Sozialdemokraten ungewohnt heftige allergische Reaktionen ausgelöst.

Horst Isola argumentierte ein ums andere Mal auf verlorenem Posten. „Auch für Abgeordnete gilt die Unschuldsvermutung. Wir können nicht Rechtsstaatsprinzipien über den Haufen werfen“, sagte er ohne große Resonanz aus dem Publikum.

„Ich verstehe gar nicht, warum er sich so wehrt“, meinte eine Teilnehmerin. „Die SPD war doch nach 45 auch dafür, daß alles auf den Tisch kommt.“ Hermann Kuhn, vor Jahren selbst Opfer des Radikalenerlasses, meinte dagegen, daß jeder Lehrer ein polizeiliches Führungszeunis beibringen müsse. „Nur die Abgeordneten, die sollen nie befragt werden.“ Isola dagegen: „Das sind doch bloß Showanträge. Lehrer können auch Unheil anrichten.“ Kuhn, munter: „Fünfmal nein, Herr Isola. Es geht doch darum, ob gewählte Abgeordnete erpressbar sind.“ Zustimmendes Raunen dafür und ein Horst Isola, der außer matten Repliken und einem süßsaueren Gesicht wenig zu bieten hatte. Ein Teilnehmer meinte zum Schluß: „Ich frage mich, wieso die SPD bloß so mauert.“

J.G.