Lehrstunde in Sachen Talk

■ Matthias Frings debütierte mit seiner neuen Talk-Show »Mein Essen für Alfred Biolek« im BKA-Zelt

Es ist sein Debütanten-Ball. Und wie das so ist, wenn man mit den komplizierten Tanzschritten noch nicht so ganz vertraut ist, hat sich Matthias Frings für den ersten Walzer einen starken Partner gewählt: Alfred Biolek ist der Premierengast der neuen Talk-Show Mein Essen für..., und ehrfürchtig stellt der Gastgeber ihn als »Deutschlands geistreichsten Talkmaster« vor. Das gefällt dem Herren Dr. jur. natürlich, der nicht nur für sein Talktalent, sondern auch für seine kokette Eitelkeit bekannt ist; generös abwiegelnd steigt er auf die Bühne des BKA-Zelts, badet — man muß auch gönnen können! — in seinem Auftrittsapplaus, setzt sich dann ganz bescheiden in die bereitgestellte Deko und — Was passiert jetzt? — gibt sich gelassen.

Jetzt wird getalkt und gekocht. So steht es auf der Menükarte, so ist es angekündigt. Zwei Stunden interessante Plauderei, ein schmackhaftes Drei-Gänge-Menü und die anheimelnde Atmosphäre eines intimen Küchengespräches hat uns Matthias Frings versprochen, der nun, sein Lampenfieber überspielend, ebenfalls betont locker neben dem Herren Biolek Platz nimmt und ihm — nicht wahr, so geht es doch bei einem gelungenen Essen immer los? — einen Aperetif anbietet.

Aber der Gast ist eigenwillig. »Nein, kein Aperetif, lieber den Wein zum ersten Gang« möchte er haben, und dazu ein Glas Mineralwasser. Denn, so doziert der Herr Doktor, den bislang noch niemand stoppt: Alkohol verdicke bekanntermaßen das Blut, und dem gelte es etwas entgegenzusetzen.

Der Küchenwein kommt, es ist Bioleks Lieblingssorte. Matthias Frings hat seine Hausaufgaben gemacht; auch das Publikum an den gestärkten Damasttischdecken ist mittlerweile beim Aperetif. Nun kann es losgehen: Ob es wahr sei, daß er noch nie den 'FAZ‘-Fragebogen ausgefüllt habe, möchte Frings wissen. Ja, es ist richtig, denn der Herr Biolek — hach, Gott! — kann sich so gar nicht entscheiden! Ein Lieblingskomponist, das Lieblingsmotto, die Lieblingsplatte! »Ich kann das nicht, ich kann das nicht!« kokettiert Alfred Biolek gekonnt. Nein, er ist ein Mensch, der sich eben nicht für eine Sache entscheiden kann — sich nicht entscheiden mag. Das sei eine seiner Eigenschaften, gibt er wohlkalkuliert privat zum besten, »dieses fortwährende Sitzen zwischen allen Stühlen«. Ein Generalist? - Nein, kein Generalist. Nur neugierig ist er und möchte nun doch endlich wissen, was es mit den ganzen Küchenmöbeln auf der Bühne auf sich hat.

Vielen Dank für das Stichwort, mag Matthias Frings gedacht haben, der gerade den 'FAZ‘-Fragebogen resigniert zur Seite gelegt hat, jetzt aufsteht und somit den zweiten Gang einläutet. Maisgries in den Polentatopf, Herd an, Deckel drauf. Und weitertalken. »Ich könnte das ja nicht«, gibt Biolek zu bedenken, während er seinem Gastgeber beim Salatanrichten zuschaut, gleichzeitig kochen und talken. »Entweder die Fragen werden flach oder das Essen schlecht.«

Nun, man wird sehen, wird hören, wird schmecken. Der Maisgries kocht — »Muß das so brutzeln?«—, Frings kocht, Biolek kocht. Es ist eben doch gar nicht so einfach, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, auf die Polenta zu achten, die Möhren zu schnippeln und dann auch noch so einen hochkarätigen Gast am Tisch zu unterhalten. Matthias Frings gibt sich alle Mühe, stellt Fragen, wartet auf Antworten, buttert die Polentaform, ölt den Salat und läßt sich von seinem Gast erzählen, was er sich schon vorab angelesen hatte: Wie es alles angefangen hat mit dem Phänomen Bio. Das Jurastudium, die Tips für Autofahrer, Drehscheibe, Das laufende Band. Schnelldurchlauf einer Karriere. Biolek plaudert, talkt, unterhält sein Publikum, während sich Matthias Frings alle Mühe gibt, den Takt zu halten. Es ist sein Debütanten- Ball, er hat einen starken Partner, alles geht glatt — nur leider führt hier nicht Frings, sondern Biolek über das glatte Parkett.

Beim Salat fehlt das Brot — »macht ja nichts!« — dafür ist das Walnußöl köstlich. Das Gespräch bleibt zerstreut, mittlerweile ist man beim Rinderschmorbraten und in der Vita des Herrn Biolek schon beim sagenumwobenen Senftöpfchen angelangt, dieser Talk-Show, die Bioleks Ruhm seinerzeit begründete, und bei der er erstmals zeigte, was einen guten Talkmaster ausmacht. »Ja, ein Talk...«, erfahren wir von Deutschlands geistreichstem Talkmaster, der seinem debütierenden Gegenüber nun immer mehr und immer freundlicher unter die Arme greift, das ist eine schwierige Angelegenheit, »... das ist: Sie fragen etwas, ich antworte darauf und Sie gehen darauf ein!«

Ein Gespräch. Gerade das will aber nicht aufkommen. Es ist eben doch nur eine Küchenplauderei, die dort oben auf der Bühne, inmitten des ganzen Kochgeräts stattfindet, während das Publikum unten heftig mit dem Verspeisen der Speisen beschäftigt ist. Niemand mag sich so recht auf das Gespräch einlassen, oben nicht, unten im Publikum nicht, allein die Zuschauer auf den preiswerteren Rängen, die sich das Drei-Gänge- Menü sparten und dafür viel mehr vom eigentlichen Geschehen mitkriegen, allein sie sind voll bei der Sache. Von ihnen gehen hin und wieder Reaktionen aus, Beifall, Raunen, Kommentare. Wer dort oben sitzt, ist einzig gekommen, um etwas Neues von Biolek zu erfahren, nicht um den »Manzo Brasato« zu würdigen, die Polenta und das Wurzelwerk zu kosten. So kommt dann auch der Eklat des Abends von dort oben, wo das gute Essen niemanden zufrieden und träge machen konnte.

Gerade hatte Matthias Frings etwas Boden gewonnen. Das Hauptgericht war endlich auch im Publikum serviert, die Unruhe in den vorderen Reihen legt sich gerade zugunsten eines zarten Besteckgeklappers, der Hobbykoch Biolek lobt den Braten, bekleckert die Weste — egal! - und lehnt sich bei einem kleinen Schluck Wein gemütlich zurück. Nun ist endlich Zeit und Muße für gute Fragen, wird es endlich spannend. Es geht um das Alter, das Älterweden, jene angeblich besten Jahre eines Mannes, in denen sich Biolek jetzt nach eigenen Aussagen befindet — und wohl fühlt. Es geht aber auch um Aids, um die Gefahr, die Trauer um verstorbene Freunde — Keith Harring ist nur einer von ihnen, nur der prominenteste. Das Klappern der Bestecke wird langsam weniger, die Leute legen Messer und Gabel zur Seite, halten den Atem an, hören zu.

Ja, er habe einen Aids-Test machen lassen, erklärt Biolek. Ja, auch er hat Angst vor Aids — wer hat die nicht? Nun ist es nur noch ein kleiner Schritt zu der Frage, die viele nun endlich aus seinem Mund beantwortet haben wollen: Ist er nun schwul, oder ist er's nicht? Matthias Frings fragt behutsam, Biolek antwortet noch behutsamer. Nie habe er so getan, als warte er auf die Frau seines Lebens. Jeder könne wissen, in welchen Kneipen er verkehre, welche Freundschaften er pflege. Er verheimliche nichts, vertusche nichts, verstecke nichts. Aber einen kleinen Rest solle es dann doch noch geben, »der den Namen Privatleben« verdient«.

Vorne an den weißen Damasttischdecken hat man Verständnis, lehnt sich nun ebenfalls bei einem Schluck Wein zurück und ist zufrieden mit der Ausbeute des Abends. Aber die Ränge — noch hungrig und gierig nach klaren Worten — rumoren, buhen, mischen sich ein. Nach vorne treten solle er, sich endlich zu erkennen geben, Farbe bekennen! »Sie müssen mich schon so akzeptieren, wie ich bin«, zischelt der Meister in die grellen Scheinwerfer, dorthin, wo er die hungrigen Nörgler vermutet, steht dann auf — die Nachspeise ist noch nicht serviert — und luchst Frings noch ein letztes Mal die Führung ab: »Vielleicht sollten wir jetzt Schluß machen, bevor das Publikum so privat wird«, empfiehlt Deutschlands geistreichster Talkmaster seinem jüngsten Kollegen, pfeift auf die Nachspeise und verläßt das Rampenlicht.

Da steht nun Matthias Frings in seiner Küche, in der er sich tapfer geschlagen hat, empfängt den verdienten Debütantenapplaus und macht sich ans Reinemachen. In vier Wochen wird die Küche für Marianne Sägebrecht wieder eröffnet werden. Da kann dann der Gastgeber zeigen, wie gut er eigentlich ist. Kann — frei von allem Premierenfieber — unter Beweis stellen, daß er weiß, was ein guter Talk ist: kann die Sägebrecht fragen, die antwortet, und er geht darauf ein. Ein Gespräch, eben. Das Zeug dazu hat er sicher. Und kochen kann er auch. Klaudia Brunst

Mein Essen für... Marianne , Matthias Frings im Gespräch mit Marianne Sägebrecht, am 26. April, 20.30 Uhr im BKA-Zelt