Kranke gehören nicht in den Knast

■ Die taz sprach mit dem Landesdrogenbeauftragten über die aktuelle Drogenpolitik in Berlin

Der Landesdrogenbeauftragte Wolfgang Penkert, Diplom-Soziologe und ehemaliger Konditor, verficht mit Jugendsenator Thomas Krüger eine harte Linie gegen Drogen: keine Legalisierung, auch nicht von Cannabis, keine Heroin-Erhaltungsprogramme wie in England und Holland, Methadonvergabe nur in Einzelfällen.

taz: 17 europäische Städte haben sich jetzt dafür ausgesprochen, Heroin an Drogenabhängige kontrolliert abzugeben. Damit soll die Beschaffungskriminalität eingedämmt und »Leid in erheblichem Maße« verringert werden. In Berlin ist man anderer Meinung — warum?

Wolfgang Penkert: Im Bereich »Hilfe für Drogenabhängige« gibt es mehr zu tun, als für den angeblich harten Kern von Süchtigen — den ich so nicht sehe — Heroin zu vergeben. Außerdem senkt jede Form von Abgabe die Zugriffsbarriere. Eine Studie im Auftrage des Bundes sagt aus, daß es für Jugendliche noch immer schwierig bis unmöglich ist, innerhalb von 24 Stunden an Heroin heranzukommen. Außerdem muß man die Relation sehen: Wir haben rund 12.000 Heroinabhängige in Berlin. Diese Zahl bewegt sich, gemessen an den Einwohnern, im Promille-Bereich.

Es gibt bisher keine Forschungen darüber, wie sich Opiat-Abhängige verhielten, wenn sie legal und unter medizinischer Kontrolle mit reinem Heroin versorgt würden.

Reines Heroin ist unschädlich für den Körper. Es geht aber um die Psyche. Abhängige ziehen sich immer mehr auf die Kommunikation zwischen Droge und Mensch zurück, sie werden in sich selbst unsozial. Heroin legt eine Art Schleier zwischen den Mensch und die Umwelt. Deshalb klaut ein Abhängiger einer Oma die Handtasche, obwohl er das sonst nie tun würde. Daß viele Frauen anschaffen gehen können, kommt durch die Einwirkung der Droge.

Sie führen die Rauschgiftkriminalität auf die Sucht zurück, nicht auf die soziale Lage der Süchtigen, die sie dazu zwingt, sich den Stoff mit allen Mitteln zu besorgen?

Die zunehmende Kriminalität kommt in erster Linie von der Sucht. Das ist bei Alkohol genauso. Wir können nicht so tun, als wenn das Problem verschwunden wäre, wenn wir Drogen legalisieren. Die Sucht als Motor bleibt erhalten. Wenn die Barrieren erst fallen, wird sich das massiv ausweiten. Dennoch muß es darum gehen, die Abhängigen zu entkriminalisieren. Es ist idiotisch, jemanden, der drogenkrank ist, immer wieder in den Knast zu stecken.

Der Konsum von Opiaten sollte nicht mehr juristisch verfolgt werden?

Niemand ist gezwungen, Heroin zu konsumieren. Die Barriere des Verbots kann bleiben. Bei vorhandener Abhängigkeit muß man die Leute aber aus der kriminellen Ecke holen. Das ist natürlich eine Gratwanderung: Wenn ich die Verantwortung der Süchtigen für sich selbst generell verneine, wie das manchmal in der Diskussion geschieht, müßte ich sie theoretisch alle unterbringen.

Sind Sie für die Legalisierung von Haschisch?

Ich bin dafür, das Verbot generell beizubehalten. Es hat auch hier eine positive Funktion: Die Griffnähe ist nicht da. Es dürfen aber aus dem Verbot keine Kriminalisierungsfolgen entstehen, erst recht nicht für jugendliche Erstkonsumenten.

Meinen Sie, mit Verboten den Konsum verhindern zu können?

Den Schwarzmarkt wird man nicht abschaffen können. Das Verbot kann immer nur eine pragmatische Maßnahme sein.

Sie haben behauptet, auch die Einführung von Methadon-Programmen hätte »negative Effekte«.

Ich habe mich immer für eine Einzelfallindikation mit psychosozialer Begleitung ausgesprochen und halte das nach wie vor für sinnvoll. Man soll aber nicht so tun, als hätte man damit eine Ideallösung.

Sie haben sich gegen Spritzenautomaten und gegen Fixer-Räume ausgesprochen?

Das stimmt so nicht. Spritzen müssen, vor allem wegen der Aids- Prävention, verfügbar sein, aber im Rahmen von Austauschprogrammen, wie sie etwa »Olga« und »Fixpunkt« anbieten. Damit kann zumindest die Prostituiertenszene abgedeckt werden. Spritzenautomaten hingegen haben einen in die Allgemeinheit ausstrahlenden Aufforderungscharakter, außerdem ist die Entsorgung nicht gelöst. Niedrigschwellige Angebote sind sinnvoll, wenn sie den Drogenabhängigen eine Rückzugsmöglichkeit bieten, wo sie sich medizinisch versorgen können. Wenn aber Spritzen in »Druckräumen« offiziell erlaubt ist, sind gleich die Dealer da. Alles, was wir an akzeptierender Drogenpolitik machen, muß in erster Linie akzeptierte Drogenpolitik sein.

Müssen Sie die harte Berliner Linie korrigieren, wenn die Initiative der 17 Städte Erfolg hat?

Darüber mache ich mir keine Gedanken: Die internationale Rechtslage ist bindend. Außerdem sind 17 Städte nur ein Bruchteil dessen, was gesamteuropäisch in diesem Bereich besteht. Interview: Burkhard Schröder