Diestel denkt — doch zurück tritt er nicht

■ Rücktritt wegen umstrittenen Interviews vom Tisch

Potsdam (taz) — Der Chef der CDU-Fraktion im Brandenburger Landtag, Peter-Michael Diestel, bleibt vorerst weiter im Amt, den Krach um seine Person in der eigenen Fraktion hat er erfolgreich ausgesessen.

Stein des Anstoßes war ein Interview, in dem der frühere DDR-Innenminister geäußert hatte, mancher Inoffizielle Mitarbeiter (IM) sei ein „Garant für den inneren Frieden“ gewesen. Ehemaligen DDR-Bürgerrechtlern hatte Diestel im Gegenzug eine „Hexenjagd“ aus Profilierungssucht vorgeworfen. Prompt hing der Haussegen nicht nur in der Brandenburger CDU schief: CDU-Generalsekretär Volker Rühe klagte Konsequenzen ein — aus der sächsischen CDU kam die Forderung nach einem Parteiausschlußverfahren.

„Menschlich auch für mich selbst völlig überraschend“ habe sich seine Fraktion mit ihm „solidarisiert“, erklärte Diestel gestern. Die Christdemokraten nutzten ihre Fraktionssitzung zu einer offenbar angeregten Diskussion über das Interview, nicht aber für Rücktrittsforderungen an ihren Vorsitzenden. Diestel erheiterte sein Auditorium anschließend mit tiefgründigen Äußerungen über sein Dasein als Politiker: „Ich arbeite viel, und ich rede viel, und ich bin ein sehr kritischer Mensch“, schwadronierte er. „Da kann man auch Fehler machen.“ Deshalb beschäftigten ihn Rücktrittsforderungen des öfteren. Diestel über die diesbezüglichen Vorgänge in seinem Hirn: „Das ist ein permanenter Denkprozeß.“

Der Sonnyboy bleibt trotzdem. Sein höchst angespanntes Verhältnis zu dem brandenburgischen CDU- Vorsitzenden Ulf Fink umschrieb er als „konstruktiv-kritisch“. Anschließend verbreitete sich der CDU-Fraktionsvorsitzende über die Frage, inwieweit man von Bonn aus die Verhältnisse in der ehemaligen DDR beurteilen könne. „Zu manchen Dingen unserer Vergangenheit kann man sich als Ostdeutscher ja schon gar nicht mehr äußern“, klagte er. Dabei habe er „38 Jahre sehr bewußt in der DDR gelebt“ (Diestel ist 39) und sei mithin in der Lage, die Dinge zu beurteilen. Was seine Äußerungen zu IMs anging, blieb Diestel dabei, im Prinizip das richtige gesagt zu haben: „Das war eine riesenhafte Menge von Menschen. Man muß sie sehr differenziert beurteilen.“

Einem Parteiausschlußverfahren sieht der Wadenbeißer aus Potsdam „gelassen entgegen“. bm/wg