Keine Kriminellen in der Mainzer

■ Das Amtsgericht Moabit stellte gestern ein Strafverfahren gegen eine Besetzerin der Mainzer Straße ein/ Bislang keine Veurteilung wegen Hausfriedensbruchs/ Entschädigungsanspruch umstritten

Berlin. Der Versuch, die ehemaligen Besetzer der Mainzer Straße zu kriminalisieren, ist mißlungen. Das Amtsgericht Moabit stellte gestern erneut ein Strafverfahren gegen eine frühere Bewohnerin des Frauen-/ Lesbenhauses Mainzer Straße 3 ein. Nach Aussagen von Prozeßbeobachtern wurde noch kein einziger der insgesamt 325 Besetzer und Sympathisanten, die Polizei und Bundesgrenzschutz nach dreitägiger Schlacht am 14. November 1990 festgenommen hatten, wegen Hausfriedensbruchs verurteilt. Rund zwei Drittel der Ermittlungen seien eingestellt worden, dreißig bereits geführte Prozesse hätten entweder zu einem Freispruch oder zur Einstellung des Verfahrens geführt.

Das rasche Ende der gestrigen Verhandlung brachte ein Telefax der früheren Hausverwalterin der Mainzer Straße 3, Brigitte Alscher. Mit dem Schreiben, in dem sie den Strafantrag in letzter Minute zurücknahm, konnte sich Alscher einen peinlichen Auftritt vor Gericht ersparen. Als Zeugin in einem anderen Verfahren hatte die Hausverwalterin am 17. September 1991 erklärt, der Hausfriedensbruch-Anzeige »nur auf Druck der Polizei zugestimmt« zu haben. Sie sei von Polizeibeamten von zu Hause abgeholt und auf der Wache zur Unterschrift gedrängt worden. In diesem Prozeß hatte das Amtsgericht auch das polizeiliche Mißgeschick aufgedeckt, mit der Räumung nicht auf Alschers Unterschrift gewartet zu haben. Mit der deutlichen Begründung, der Polizeieinsatz sei »rechtswidrig erfolgt«, hatte eine Richterin das Verfahren eingestellt und der Besetzerin eine Entschädigung zugesprochen. Im Urteil des gestrigen Verfahrens wurde dieser Anspruch allerdings negiert.

Obwohl in den von der Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain verwalteten anderen Häusern der Mainzer Straße die Rechtslage nicht so eindeutig ist, kam es auch hier noch zu keiner Verurteilung der Besetzer. Dies läßt sich einerseits darauf zurückführen, daß die zur Festnahme eingesetzten Polizisten nicht mehr zu identifizieren sind. Entgegen den Vorschriften wurden die Festnahmezettel von unbeteiligten Kripobeamten unterschrieben, die vor Gericht aber keine genauen Zeugenaussagen machen können. Andererseits verwiesen Amtsrichter auf die schriftlichen Zusicherungen von Senat und Wohnungsbaugesellschaft, während der Verhandlungen nicht zu räumen. Offiziell wurden die Legalisierungsgespräche weder aufgekündigt noch fanden sich Zeugen, die sich an Räumungsaufforderungen der Polizei erinnern können.

Die in Mainzer-Straße-Verfahren engagierten Rechtsanwälte aus dem Umfeld des Ermittlungsausschusses zeigen sich nun optimistisch, daß die Prozeßlawine gegen die geräumten Besetzer bald der Vergangenheit angehört. »Es kann sein, daß die Staatsanwaltschaft auf sofortige Einstellung drängt«, meinte Anwältin Silke Studzinsky gegenüber der taz. Nach Auskunft der Justizpressestelle ist damit jedoch nicht zu rechnen. Die Ermittlungen würden von verschiedenen Amts- und Staatsanwälten je nach Anfangsbuchstabe des Angeklagten geführt, eine »Zentralabteilung« für Hausbesetzer gebe es nicht. mize

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