Stasi hatte auch die FDP unterwandert

■ Stasi-Überprüfung im Abgeordnetenhaus stockt/ Akteneinsicht bei Gauck verzögert/ Abgeordnete mit Stasi-Kontakten in fast allen Fraktionen?

Berlin. Das Verfahren zur Stasi- Überprüfung der Berliner Abgeordneten ist ins Stocken geraten. Der Ehrenrat, der eigentlich bereits vor zwei Wochen seine erste Sitzung abhalten sollte, hat bislang noch kein einziges Mal getagt. Parlamentspräsidentin Hanna-Renate Laurien liegen zwar bereits seit vier Wochen die Briefe der Gauck-Behörde vor, in denen über eventuelle Stasi-Kontakte der Abgeordneten Auskunft gegeben wird. Probleme bereitet jedoch das Verfahren, wonach alle belasteten Abgeordneten zunächst Gelegenheit haben sollen, ihre Akten bei Gauck einzusehen, bevor der Ehrenrat das erste Mal zusammentritt: Die Aktenbehörde hat es bislang nicht geschafft, allen Betroffenen Einsicht zu gewähren.

Einzelheiten über die Inhalte der Gauck-Bescheide sickern erst jetzt allmählich durch. Danach sind mit Ausnahme von Bündnis 90/ Grüne, in deren Reihen offenbar keine belasteten Abgeordneten sitzen, alle Fraktionen betroffen. Bei den bislang bekanntgewordenen Namen handelt es sich aber in der Regel um Grenzfälle, in denen die Gauck-Behörde wenig Belastendes sagen konnte.

Dies gilt insbesondere für den PDS-Abgeordneten Dieter Klein. In seinem Fall liege der Gauck-Behörde als Indiz für eine Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter nur eine einzige Karteikarte vor, hieß es in der PDS- Fraktion. Die Karte nenne seinen Decknamen (»Kleinfeld«), enthalte aber keine weiteren Angaben. Klein selbst wollte sich gestern nicht zu dieser Frage äußern. Seiner Fraktion gegenüber habe er eine Stasi-Mitarbeit jedoch bestritten, heißt es dort.

Der Treptower FDP-Abgeordnete Gerhard Schiela soll, so heißt es in der FDP, in den 50er Jahren eine Verpflichtungserklärung unterschrieben haben. Der Abgeordnete war bis 1988 Mitglied der Blockpartei NDPD und Bauleiter bei der Errichtung des Palastes der Republik. Auch Schiela wollte sich gestern zu den Vorwürfen nicht äußern, soll aber gegenüber Parteifreunden abgestritten haben, der Staatssicherheit Informationen geliefert zu haben. Im Fall des CDU-Abgeordneten Christian Zippel bestätigte die Gauck-Behörde, daß der Arzt seit 1982 als IM geführt worden sei. Er habe jedoch weder eine Verpflichtungserklärung unterschrieben, noch Zuwendungen erhalten. Zippel hatte stets erklärt, daß er nie »mit Wissen und Wollen« für die Stasi gearbeitet habe.

Entlastet wurde der Spandauer FDP-Abgeordnete Wolfgang Mleczkowski, der bis 1976 in der DDR gelebt hatte und dem manche Parteifreunde bis heute nicht so richtig über den Weg trauen. Mleczkowski erfuhr von Gauck, daß die Staatssicherheit über ihn im Verlauf der Jahre 23 Bände mit Berichten angelegt hatte. In Ost-Berlin, wo Mleczkowski bis 1969 LDPD- Mitglied war, habe die Stasi sogar seine Mülleimer durchwühlt und notiert, »wie viele westliche Alkoholflaschen« sich dort gefunden hätten. Auch über die Vorgänge in der Westberliner FDP sei der Geheimdienst hervorragend informiert gewesen. »Ich lerne jetzt«, sagte Mleczkowski gestern zur taz, »welche Intrigen in der FDP wirklich abgelaufen sind.« hmt