Vom paralympischen Geist umweht

■ Bei den V.Winter-Paralympics, den Winterspielen der Behinderten, sorgt in den savoyischen Alpen nicht nur der Neuschnee für Unmut/ Die Reduzierung des Programms brachte Ungerechtigkeiten

Albertville/Tignes (dpa) — Zwar begannen die V.Winterspiele der Behinderten wegen heftiger Schneefälle schon gestern mit dem Riesenslalom der Frauen, doch erst heute wird der französische Staatspräsident Francois Mitterrand die Paralympics im 2.100 Meter hoch gelegenen „Stade de Lognan“ direkt gegenüber dem paralympischen Dorf in Tignes eröffnen. Allerhöchste Zeit, wie Alexander Spitz und seine 37 Kollegen aus dem Team des Deutschen Behindertensport-Verbandes (DBS) finden. „Die Saison war lang, und seit drei Wochen haben wir keine Rennen mehr. Schwierig, die Form zu halten“, meint Spitz.

Der oberschenkelamputierte Bankkaufmann aus Waldshut, den die Teamkollegen als „unseren Alberto Tomba“ bezeichnen, gewann mit einer Ausnahme alle Rennen dieses Winters. Er hatte vor der Saison mit Markus Wasmeier trainiert und will in Tignes schaffen, was seinem Trainingspartner bei den Olympischen Spielen nicht gelang. „Es motiviert unheimlich, mit der Nationalmannschaft und Leuten wie Wasi zu fahren“, sagt Spitz. „Ich freue mich irrsinnig auf die Paralympics und möchte Gold holen.“

Sein weibliches Pendant im Team ist die unterschenkelamputierte Reinhild Möller aus Reutlingen. Die 36jährige gewann wie Spitz bei der Weltmeisterschaft 1990 in Winterpark (USA) fünf mal Gold. Zwei Jahre zuvor war sie bei den Sommer- Paralympics in Seoul über 200 und 100 Meter zu Gold und Silber gesprintet.

Anders als vor einem Monat die Athleten der XVI.Winterspiele wohnen bei den Spielen der Behinderten, die bis zum 1.April dauern werden, rund 600 Sportlerinnen und Sportler aus 24 Ländern zusammen in einem Dorf, der Großteil der Wettbewerbe findet überschaubar in Tignes statt. Trotzdem ist der Ärger programmiert. „Es wird Proteste wegen des Ablaufs der Wettbewerbe geben“, kündigte Werner Haberstock, Alpin-Trainer des DBS an. Was die behinderten Leistungssportler am meisten auf die Palme bringt: Das Organisationskomitee (COPTA) hat die Zahl der Wettbewerbe um etwa ein Drittel verringert. „Jetzt starten Leute mit völlig verschiedenen Behinderungen in einer Klasse. Das ist zum totlachen“, meinte Haberstock bitter. Der Versuch der Veranstalter, die unüberschaubare Zahl an Titelträgern zu reduzieren, war unglücklich: Es wird in Albertville/Tignes immer noch jede Menge Goldmedaillen geben — für jede Behinderungsart eine —, und die Zusammenlegung einiger Klassen ist ungerecht. Die würde nur funktionieren, würde ein computergesteuertes Wertungssystem verwendet, an dem Trainer und Wissenschaftler schon lange arbeiten.

Probleme bereitete auch die Unterbringung: Die auf 2.080 Meter Höhe gelegene Touristenstation Tignes hat im März Hochsaison. „Da sind die Hotelbesitzer nicht begeistert, Hunderte von behinderten Athleten zu beherbergen. Sie befürchten, daß sich Touristen ,gestört‘ fühlen“, sagt COPTA-Sprecherin Karine Bros. Mit der alltäglichen Diskriminierung Behinderter haben auch die Leistungssportler zu kämpfen. Alexander kann davon ein Lied singen: „Ich werde oft sehr angestarrt.“ Inzwischen haben die Veranstalter, die die Räume der Olympia- Verwaltung in Albertville bezogen haben, die Organisation einigermaßen in den Griff bekommen. Letzte rollstuhlgerechte Umbauten in Hotels und Appartements wurden rechtzeitig beendet. Rund 50 Sponsoren sowie der französische Staat finanzieren die umgerechnet rund 18 Millionen Mark teure Veranstaltung. Im Fernsehen sind die Wettbewerbe auch zu sehen. „Allerdings nie live. Wir müssen froh sein, wenn sich die TV-Anstalten überhaupt für uns interessieren“, meint Karine Bros.

Rund 1,253 Millionen Mark wendet der vom Bundesinnenministerium und einigen privaten Spendern finanzierte deutsche Verband nach eigenen Angaben für die Winter-Paralympics und die Vorbereitung der 24 alpinen und 18 nordischen DBS- Starter auf. Die holten sich im einwöchigen Trainingslager in Balderschwang im Allgäu den letzten Schliff. Dabei haben die Behinderten wenig Hoffnung, in die olympische Familie aufgenommen zu werden. „Der DBS ist die Dachorganisation, nicht das Nationale Olympische Komitee für Deutschland“, stellte NOK-Generalsekretär Walther Tröger unmißverständlich klar, „aber wir leisten zwischendurch partnerschaftliche Hilfe.“ Andrea Wimmer