Späte Haft für Mutlangen-Blockade

■ Die 69jährige Maria Oberländer wurde nach sechs Jahren Wartezeit für zwanzig Tage ins Gefängnis gesteckt

Bremen (taz) — Als Maria Oberländer (69) vor sechs Jahren an einer Sitzblockade des Raketenlagers in Mutlangen teilnahm, wollte sie vor allem eins: ein Zeichen gegen das mörderische Wettrüsten setzen und ihren Kindern und Enkeln ein Leben in Frieden ermöglichen. Die Geschichte sollte ihr recht geben: Das Feindbild Ostblock existiert nicht mehr, amerikanische Pershings wie die in Mutlangen werden aus Deutschland abgezogen — doch Maria Oberländer sitzt im Gefängnis.

Am Freitag morgen wurde die 69jährige in ihrem Haus in Baierbach bei Rosenheim verhaftet. Zwanzig Tage muß sie absitzen, weil sie sich weigerte, eine Geldstrafe wegen Nötigung zu bezahlen. „Ich kann nicht einsehen, daß es unrechtmäßig sein soll, gewaltfrei für den Frieden zu demonstrieren“, war damals ihre Begründung, und sie kalkulierte die Konsequenz Gefängnis bewußt ein: „Ich will diesen Nötigungsparagraphen ad absurdum führen.“

Und deshalb gab sie sich auch nicht damit zufrieden, daß die Staatsanwaltschaft sie nach sechs Jahren anscheinend vergessen hatte. „Seid ihr eingeschlafen?“ schrieb sie an die Behörde, „die anderen haben das Bußgeld bezahlt und damit ihre Strafe erhalten — und ich laufe immer noch frei herum.“ Prompte Reaktion der zuständigen Staatsanwaltschaft Ellwangen: Es sei gut, daß Maria Oberländer sich endlich gemeldet habe. Sie werde nämlich seit Jahren steckbrieflich gesucht. Kurios ist daran nur eins: Maria Oberländer hat ihren Wohnsitz seit 30 Jahren nicht gewechselt.

Daß die Staatsanwaltschaft nach sechs Jahren just vergangene Woche zuschlug, kam dennoch überraschend. Die Polizeibeamten ließen Maria Oberländer nicht einmal Zeit, das Nötigste einzupacken. Selbst Medikamente mußte Ehemann Horst ihr ins Frauengefängnis Traunstein bringen. Der Fall Maria Oberländer erregt bundesweit Aufsehen. In Traunstein und Umgebung reißen die Proteste seit dem Wochenende nicht ab. Wildfremde Menschen hinterlegen Geld, um die 69jährige freizukaufen — doch das lehnt die stolze Friedenskämpferin kategorisch ab. Auch eine Petition an den Bundespräsidenten ist unterwegs.

„Der Fall Oberländer ist ein Skandal“, urteilen die bayerischen Grünen und fordern, die Haftanweisung zu revidieren: „Nicht Haft, sondern ein Verdienstorden gebührt alten Menschen, denen das Schicksal künftiger Generationen nicht egal ist.“ Isabelle Yeginer