Öffentliche Abfalleimer in den Abfall!

■ Die öffentlichen Abfalleimer verschmutzen die Stadt/ Die plumpen Kübel in West-Berlin sind zu klein, idiotisch verteilt und stinken/ Die ein Kubikmeter großen Eisenkästen in Ost-Berlin sind nicht besser

Berlin. »Die Kultur der Stadt beweist sich endgültig in ihren Details«, schreiben Andreas Brandolini, Massimo Iosa Ghini und andere in ihrem Essay: »Die Benutzeroberfläche der Stadt«.

Die Details, das sind die Blumenkübel und Poller, die Wegweiser und Signalanlagen, die Pißhäuschen, Haltestellen und Infosysteme — fast alles ästhetische Niederträchtigkeiten des Designs im Stadtbild, das weder virtuos gestaltet ist noch mit seinen Benutzern kommuniziert.

Mißt man die Oberflächenkultur Berlins anhand seiner öffentlichen Abfall- und Papierkörbe, so beweist sich ihre Qualität in schnöder Lieblosigkeit. Hüben hängen an Pfosten und Pfeilern, Wänden und Zäunen orangerot gestärkte Plastiksäcke — das Firmenlogo der Berliner Stadtreinigung (BSR). Nicht allein, daß die plumpen Eimer mit ovalem Einwurf und Entleerungsklappe unsäglich neobarock geformt sind.

Der demokratische Zugang ist versperrt

Schlimmer ist, daß sie zu klein, idiotisch verteilt und stinkig sind sowie erst für Menschen ab fünf Jahren freigegeben (siehe FSK) scheinen. Sie hängen zu hoch, ein demokratischer Zugang zu ihrem Gebrauch ist versperrt. Das in Orange aufgemalte Wort »Abfall« verblaßt da noch unleserlicher, und selbst die netten Piktogramme »Müll wegwerfende Papierhand« und »kackender Hund« erinnern eher an konterkariernde Chiffren.

Auch der Sozialismus kannte öffentliche Papierkörbe. Sie gibt es noch heute, trotz der galoppierenden Abwicklung durch die BSR. Sie gehören, trotz jahrzehntelanger Isolation von kapitalistischen Kommunikationsstrukturen, zu den Service- Bereichen der Stadt, die man als multifunktionale Errungenschaften bezeichnen darf: Einfach und klar, trotzdem vielseitig und eisern. Es ist ein rund ein Kubikmeter großer Eisenkasten, blau, rot oder grün gepinselt, der zumeist die Bushaltestellen auflockert. Rollen sorgen für Mobilität. Eine Eisenschiene dient als Halterung für die Entleerung. Eine kreisrunde Öffnung für Handsperrmüll (Flaschen, Autoreifen, Aktenordner) und der danebenliegende Schlitz für »Flachmüll« geben dem Rollcontainer Spielraum. Recycling findet sowieso nicht statt.

Früher wurden Wettbewerbe ausgelobt

»Die Qualität der Metropole kristallisiert sich an der Oberfläche«, meinen Brandolini und andere. Noch bis in die zwanziger Jahre wurden dafür große Wettbewerbe ausgelobt, um durch das Stadtdesign die Utilität und Identität von Metropolen zu qualifizieren. In Berlin mit seinen Abfallkörben von phantasielosen Saubermännern dagegen »zerfleddert der Wunsch nach kommunalen Äußerungen«. Die öffentlichen Details spiegeln wider, daß Teile der städtischen Physiognomie den Benutzern häßlich und bewußtlos überlassen bleiben. Rolf R. Lautenschläger