Marsch der Mineros auf Madrid

450 Minenarbeiter suchen zu Fuß den Industrieminister auf/ Angst vor Verlust der Arbeitsplätze  ■ Aus Madrid Antje Bauer

Fast drei Wochen waren sie marschiert, die Bergleute. Aus ihrer Provinz Leon waren 450 von ihnen knapp 500 Kilometer zu Fuß nach Madrid gelaufen, um vor dem Industrieministerium den Erhalt ihrer bedrohten Arbeitsplätze zu fordern. Denn die Firma Minero Siderurgica de Ponferrada in Leon, zweitgrößtes Unternehmen der Provinz und größtes privates Kohleunternehmen in Spanien, sieht angesichts wachsender Verluste die Schließung einer Zeche und damit den Verlust von 250 Arbeitsplätzen vor.

Blasen und Muskelkater hatten den Weg der Kumpel begleitet, etwa zwanzig mußten den Marsch aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig abbrechen. Tags waren sie im Gänsemarsch entlang der großen Straßen gelaufen, nachts hatten sie in Sporthallen und Schulen geschlafen, begleitet von der Unterstützung der örtlichen Bevölkerung. Am Mittwoch vormittag langten sie schließlich am Ziel an. Bärtig, den Bergmannshelm auf dem Kopf, mit verpflasterten Füßen und müden, aber erfreuten Gesichtern, trabten sie in Zweierreihen an den Tausenden vorbei, die gekommen waren, um sie zu empfangen. „Es war ziemlich hart, aber der Empfang hier und die Solidarität auf dem Weg machen das lange wett“, erklärte Alberto Susana, ein Hüne von 30 Jahren, der „leider“ schon seit 16 Jahren in der Mine arbeitet. Am Straßenrand hatten sich in dichten Reihen Gewerkschafter aus Asturien, Kantabrien und Leon aufgestellt, die ebenfalls von der Krise des Kohlebergbaus betroffen sind. Obwohl der Weg der Bergleute direkt an der Universität vorbeiführte, hatten nur wenige Studenten den Weg zu ihnen gefunden. „Vor fünfzehn Jahren wäre hier noch alles voller Studenten gewesen“, erinnerte sich wehmütig ein Passant.

Rote Fähnchen der beiden Gewerkschaften und Parolen wie „Es wird mal wieder Zeit für einen Generalstreik“ erzeugten eine kämpferische Stimmung, die mit dem lauen Echo in den Medien kontrastierte. Als sich der Generalsekretär der Kommunistischen Partei PCE, Julio Anguita, und die Abegordnete der Linkskoalition Izquierda Unida, Cristina Almeida, einfanden und die Hände der Bergleute schüttelten, wurden Alberto Susanas Augen feucht.

Der, auf den es eigentlich ankam, Industrieminister Claudio Aranzadi, nahm unterdessen in den Cortes an der Debatte zur Lage der Nation teil. Eine Senkung der Inflation und des Haushaltsdefizits hatte Premierminister Felipe Gonzalez am Dienstag in der Debatte als vorrangige Ziele seiner Regierung angekündigt. Er hatte eingestanden, daß sich die Arbeitslosenrate noch immer auf einer stabilen Höhe von circa 16 Prozent bewegt und daß die Inflation erneut mindestens sechs Prozent betragen wird. Wenig hoffnungsvolle Aussichten für eine Region, deren Haupteinkünfte von Kohle und Stahl abhängen. Im günstigsten Falle könnten die Bergarbeiter von Leon etwas ähnliches herausschlagen wie ihre Genossen in Asturien: ein abgefederter Abbau der Arbeitsplätze durch vorzeitige Pensionierungen und vage Investitionszusagen. Garantien für ihre Kinder sind das nicht.