Bankstreik: Rien ne va plus? Va banque!

Die Fronten des Tarifstreits im Bankengewerbe sind seit Monaten unbeweglich/ Bankbosse geben sich siegesgewiß/ Gewerkschaften zeigen Schwäche, aber drohen mit schärferer Gangart  ■ Aus Berlin Martin Kempe

Am letzten Freitag meldete die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) noch 5000 streikende Bankangestellte in Bremen. Siegessicher kündigte man eine Ausweitung der Aktionen im seit Monaten sich hinziehenden Tarifkonflikt im Bankgewerbe an. Aber seit Anfang der Woche bleiben die täglichen Streikmeldungen aus der Düsseldorfer Gewerkschaftszentrale aus. Sind die Gewerkschaften im Bankenkonflikt am Ende? „Es bröckelt nicht“ , dementierte HBV- Sprecher Claus Eilrich. Die Beteiligung der eher streikunerfahrenen Bankangestellten habe bis zur letzten Woche sogar eher zugenommen. „Wir haben noch Luft“, beteuerte er und kündigte für die nächsten Tage eine erneute Ausweitung der Aktionen an.

„Man soll sich von den Zahlen nicht täuschen lassen“, meint dagegen Jürgen Stein vom Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes zu den täglichen Streikmeldungen der Gewerkschaften HBV und Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG). Es beteilige sich immer nur ein ganz kleiner Kreis an den Streiks, und den gewerkschaftlichen Erfolgsmeldungen lägen in Wirklichkeit die Belegschaftszahlen der bestreikten Bereiche zugrunde, nicht die reale Zahl der aktiv engagierten Beschäftigten. Die Bankbosse geben sich selbstsicher, den in der Geschichte der Bundesrepublik ersten großen Tarifkonflikt ihrer Branche zu ihren Gunsten entscheiden zu können.

Bosse kommen nicht über die Fünf-Prozent-Hürde

Seit Monaten hat sich in den Positionen der Arbeitgeber nichts mehr bewegt, während HBV und DAG sich zuletzt am Abschluß in der Stahlindustrie in Höhe von 6,4 Prozent orientierten. Schon im Januar hatte die Gegenseite fünf Prozent als oberste vertretbare Grenze angeboten. Und auch beim letzten Verhandlungstermin am 19. Februar ging sie über dieses Angebot nicht hinaus. Im Gegenteil: Die Bankbosse verkündeten, die diesjährige Gehaltserhöhung einseitig zu ihren Bedingungen vorzunehmen. Inzwischen haben die Angestellten mit ihrer März-Abrechnung für Januar eine Abschlagszahlung von 300 DM erhalten (der letzte Tarifvertrag lief zum 1.1.92 aus) und für Februar und März das um fünf Prozent erhöhte Gehalt. Dies sei keineswegs ein „Lohndiktat“, um die Streiklust der Bankangestellten zu dämpfen und den Gewerkschaften das Wasser abzugraben, meint Stein. Vielmehr entspringe dies der Fürsorgepflicht der Arbeitgeber für ihre Angestellten, die wegen der gewerkschaftlichen Profilierungssucht eine monatelange Verzögerung bei der Auszahlung der Gehaltserhöhung hinnehmen müßten.

Gestern fand in Frankfurt ein Treffen von Tarifexperten beider Seiten statt. Aber dabei ging es nicht um Gehälter, sondern um die tarifliche Regelung von Arbeitsbedingungen. Im Konflikt ums Geld bewegt sich nach wie vor nichts — nicht einmal auf einen neuen Verhandlungstermin konnten sich Arbeitgeber und Gewerkschaften bisher verständigen. Denn jede Seite fordert von der anderen vorab ein Kompromißsignal. Die Sprache der Tarifdiplomatie bewegt sich in Nuancen: „Deutlich unter sechs“ Prozent müsse der Abschluß liegen, erklärte Arbeitgebersprecher Stein gestern gegenüber der taz. Auch die HBV will nicht mehr ausschließen, daß es vielleicht doch noch zu einer Einigung kommt. Denn wenn die Großbanken in den nächsten Tagen auf den Bilanzpressekonferenzen ihre glänzenden Ergebnisse für das Geschäftsjahr 1991 präsentieren müßten, gerieten die Arbeitgeber in arge Beweisnöte mit ihrer These, mehr als ihr bisheriges Angebot sei einfach nicht drin. Für die nächste Woche kündigte HBV- Sprecher Eilrich eine schärfere Gangart an. „Die wollen uns aushungern“, meinen viele aktive Gewerkschafterinnen. Es gehe um eine politische Kraftprobe. In einigen gut organisierten Betrieben werden inzwischen sogar mehrtägige Aktionen gefordert.