„Ja, das Wasser spritzt aus zwei Löchern!“

■ Spoerri, Williams, Hainke, Schmidt: Die taz auf Wal-Talk mit Künstlern des „Whale-Projekts“ in der Städtischen Galerie

Mittwoch abend in der „Städtischen Galerie im Buntentor“: die KünstlerInnen des „Whales-Projekts“ treffen sich mit der taz zu einem „Whale-Talk“ über Spoerris Geburtstag, Wal-Faxen und den Random-Effekt. Einige Auszüge.

Emmett Williams: Als ich erstmals Daniel Spoerri von dem großen Wal erzählte, dachte er, ich sei verrückt geworden. Als ich Hamilton ansprach, sagte der: “Werd' erst mal nüchtern, Emmett!“ Bremen? Ein Rathaus? Ein Wal? Und was hat das mit Daniel Spoerris Geburtstags-Party zu tun? Und warum sollte Ay-O aus Tokio nach Bremen wegen eines Wals kommen?

Daniel Spoerri: Das ist ja eine Dame, der Wal. Sie wurde von einem Männchen in den Seitenarm der Weser verfolgt. Sie mochte ihn nicht. Das ist der Grund, warum wir nach drei Jahrhunderten uns hier den Kopf zerbrechen. Eigentlich die Urfrage.

Pavel Schmidt: Das Bild hat einen genauen Stellenwert: die anderen Walbilder waren oft Phantasmagorien, die Wale sehen wie Ratten aus, wie teuflisches Werk, wie Monster. Wulffhagen hat genau hingesehen: Das Wasser spritzt aus zwei Löchern.

Spoerri: Bedeutsam ist, daß das Bild 1:1 gemalt ist; es ist von der Natur abgemalt; auch das Seitenflüßchen stimmt in den Proportionen, ein Realitätsbezug, den es damals in der Malerei nicht gab. Auch ein Rubens schummelte damals, wenn er nicht mehr weiterwußte. Ob der Wal nun ein Vorwand war, uns hier zu treffen: Wäre das eine Katze oder ein Hund gewesen, hätte es uns sicher weniger interessiert. Der Wal ist ein unglaublich faszinierendes Phänomen. Walforscher sagen, daß wahrscheinlich der Wal eine der Intelligenzen ist, die wir auf anderen Planeten suchen. Unendliche seltsame Fragen, bis hin zum Narwal: wozu nützt das Einhorn? Er stößt nicht damit, zerbricht kein Eis, er noddert vielleicht im Dreck herum.

Williams: Ich habe Sorge, da kommen Leute in die Ausstellung und erwarten, über Wale unterrichtet zu werden. Die muß ich enttäuschen. Ich selbst finde Vögel viel intelligenter als Wale.

taz: Das betrifft jetzt Concept-Art und vielleicht Fluxus: Ist „Whales“ reiner Sophismus, ohne realen Zusammenhang?

Williams: Verglichen mit Fluxus ist das eine sehr intellektuelle Idee. Fluxus ist sehr simpel. Wir saßen nie herum und diskutierten ästhetische Theorien. Wir machten unsere Nummern. Beuys und Vostell hätten sicher gesagt, wir retten jetzt die Wale. Doch der Wal auf diesem Bild ist ein verdammt kommerzielles Ding, da haben sich die Schweden und die Bremer um all das Fett und Öl und die Knochen geschlagen. Wolfgang versucht, das Walbild zu retten.

Hainke: Dieses Bremen, keine kleine Stadt, ignorierte 30 Jahre lang die Avantgarde-Kunst komplett. Es gab nie eine Ausstellung mit Daniel, mit Hamilton; zwei oder drei private Ausstellungen mit Dieter Roth; Duchamp: nichts; nicht mal die jungen Konzept- Künstler. Grund genug für mich, diese Leute hierherzuholen. Es war ein wenig trickreich, dazu den Wal zu benutzen, ich weiß. Doch da sind Random-Effekte: das Wal-Skelett wird zusammengebaut (im Überseemuseum / B.S.), das Walbild wird restauriert, und wir haben eine wunderbare Situation hier. Was passiert? Erwartet nicht zu viel bedeutende Kunst hier.

(Gelächter, Unruhe, Geschrei)

Williams: Die Gruppe ist gespalten: Es steht Duchamp gegen Walter Benjamin. Durch Vervielfältigung und weite Verbreitung ...

Spoerri:... Walfaxe ...

Williams: ... befreien dich die Jungen von Rembrandts Idee, für wenige zu malen. Ay-o wird mir zustimmen.

(Ay-O nickt höflich)

Spoerri: Wenn der Wolfgang gesagt hätte, kommt, wir treffen uns, wäre niemand gekommen. Es ist diese seltsame Art von Öffentlichkeit. Es ist ja ein Unterschied, ob man im eigenen Fett schmort oder etwas für ein Publikum macht. Ich glaube, wir sind hier hart an der erlaubten Grenze des Vor-sich- Hinschmorens. Gespräch: Bus