KOMMENTAR
: Ein Ort des Geistes

■ In den Palast der Republik soll die Gedenkbibliothek einziehen

Die Idee liegt so nahe, daß man sich fragt, warum sie erst jetzt geäußert wird: Der Palast der Republik, derzeit eine riesige kostenfressende, leerstehende Hülle inmitten der Stadt, soll wieder ein Palast des Volkes werden. Und nicht nur das — zögen in den Palast mit der Gedenkbibliothek und der Stadtbibliothek zwei der größten Berliner Freihandbüchereien ein, so entstünde ein Ort des Geistes und ein Treffpunkt aller Bevölkerungsschichten jeden Alters. Die Gefahr einer von Stadtplanern und Politikern in Bonn und Berlin gefürchteten »Monofunktionalität« der Stadtmitte, die ausschließlich aus riesigen hochsicherheitsabgeschirmten Verwaltungsgebäuden bestünde, wäre damit gebannt. Und auch der Besetzung des Stadtzentrums durch Nutzungen, in die nur Einlaß findet, wer viel Geld dafür aufbringt — teure Cafés, Hotels, Boutiquen — könnten Bund und Senat so entgegensteuern.

Auf der anderen Seite platzt die beliebte Gedenkbibliothek so sehr aus allen Nähten, daß es kaum mehr möglich ist, ein ruhiges Plätzchen zu finden oder an das Buch zu kommen, das man braucht. Die Bibliothek ist aber auch einer der wenigen funktionierenden Treffpunkte von Berlinern aus Ost und West. Auch deshalb wäre ein solcher Ort des Volkes dem zentralen Platz von Berlin angemessen.

Bleibt das Argument, der Bundeskanzler brauche den Palast für sein Kongreßzentrum. Zum einen stand wohl hierbei ohnehin der — richtige — Gedanke des Stadtentwicklungssenators im Vordergrund, das Gebäude zu erhalten. Zum anderen könnte Kohl, nachdem es mit dem Deutschen Historischen Museum aus den bekannten Gründen nicht so recht gelang, den Berlinern mit der Umwidmung des Palastes der Republik ein Geschenk machen, das sie wirklich gebrauchen können. Zudem bekäme der Bund damit eine seltene Gelegenheit auf dem silbernen Tablett serviert, die Bedrohung, die so mancher Berliner bei dem Gedanken an den bevorstehenden Umzug empfindet, abzumildern. Eva Schweitzer